Rentenauszahlung im Westen: Ab 1957 sorgt die die Dynamik der Renten für steigende Bezüge.
Rentenauszahlung im Westen: Ab 1957 sorgt die die Dynamik der Renten für steigende Bezüge.



Ein Land, zwei Systeme

 

Kriegsende 1945: Deutschland liegt am Boden. Auch die gesetzliche Rentenversicherung ist schwer angeschlagen. Gebäude sind zerstört, Akten und Vermögen vernichtet. In der Stunde null steht die Rentenversicherung damit wie das ganze Land vor einem schwierigen Neuanfang. Der jedoch gelingt erstaunlich gut. Obgleich sich die Finanzlage wegen geringer Beitragseinnahmen anfangs unsicher darstellt, zahlen die Postämter schon Mitte 1945 wieder Renten aus. In dieser Zeit ist das ein Segen, der vielen älteren Menschen das Überleben sichert. Die Finanzlage beruhigt sich schnell, schon 1946 reichen in der Angestelltenversicherung die Beitragseinnahmen aus, um alle Ausgaben zu decken. Zwei Jahre später stellte sich dann der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger neu auf. Damit knüpften die westlichen Besatzungszonen an die Tradition der Weimarer Republik an, denn dieser Verband hatte bereits seit 1919 mit wechselnden Namen existiert. Auch die Selbstverwaltung von Versicherten und Arbeitgebern wird 1953 wieder eingeführt, nachdem die Rentenversicherung zur NS-Zeit dem Führerprinzip untergeordnet gewesen war.

520 Mark (Ost)

So viel erhielt ein DDR-Rentner maximal nach 50 Versicherungsjahren. Zum Vergleich betrug das Bruttoerwerbseinkommen (Ost) in den Nachwendejahren im Mittel 2.005 D-Mark.

Wirtschaftswunder im Westen

Einen anderen Weg schlägt die politische Führung in der Sowjetischen Besatzungszone ein. An die Stelle des föderalen Rentensystems tritt 1947 eine Einheitsversicherung. Fünf Landesanstalten weichen einer zentralen Sozialversicherungsanstalt, die unter der Kontrolle des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes steht. Im Osten wie im Westen fallen die Renten in den Nachkriegsjahren bescheiden aus. Im Westen geht es nach der Währungsreform 1948 zwar aufwärts. Für die Rentner kommt jedoch erst 1957 die Wende: Die dynamische Rente wird eingeführt und lässt sie am Wirtschaftswunder teilhaben, die Altersarmut sinkt. Aus dem Zubrot im Alter wird eine lohngekoppelte, dynamische Rente.

Stagnierende Renten im Osten

In der DDR gibt es auch eine umlagefinanzierte Rente; Arbeitgeber und -nehmer teilen sich auch hier die Beiträge. Doch Einzahlungen und Bemessungsgrenzen bleiben unverändert, die Renten steigen kaum. Dafür sind die Lebenshaltungskosten in der DDR geringer, viele Güter subventioniert. Nur lose sind die Beiträge an den Verdienst gekoppelt. Die Renten basieren auf der Zahl der Versicherungsjahre. Der Grundfestbetrag liegt zwischen 170 und 210 Mark, hinzu kommt ein Steigerungsbetrag von einem Prozent pro Jahr. Für einen Beitragszahler, der 50 Jahre lang den Höchstbeitrag eingezahlt hatte, ergab sich damit im Wendejahr 1989 eine Rente von 520 Mark. Zugleich richtet die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) bereits in den 1950er-Jahren Zusatz- und Sonderversorgungssysteme für die Elite ein, beispielsweise für Stasi-Mitarbeiter, Polizisten und die Intelligenz. 1971 kommt für Normalbürger die „Freiwillige Zusatzrentenversicherung“ (FZR). Sie wird rege genutzt. 1989 zahlen vier von fünf Arbeitern ein, die FZR wird auch nach der Wende bei der Berechnung von Rentenansprüchen berücksichtigt. Im Umbruch nach 1990 zeigte sich die enorme Anpassungsfähigkeit der umlagefinanzierten Rente. Was in einem kapitalgedeckten System nicht denkbar gewesen wäre, gelang: Die gesetzliche Rentenversicherung übernahm von einem Tag auf den anderen die Zahlung von fast vier Millionen zusätzlicher Renten.

Drei Fragen zu den Ost- und Westrenten

Prof. Dr. Ralf Kreikebohm, Geschäftsführer Deutsche Rentenversicherung Braunschweig- Hannover und Honorarprofessor an der TU Braunschweig

Herr Kreikebohm, ab 2025 wird die Rente in Ost und West einheitlich berechnet – ist das der richtige Schritt zur Vollendung der sozialen Einheit?
Fast drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ist es höchste Zeit, jetzt auch den Abschluss der Renteneinheit in Angriff zu nehmen. Immerhin kann es noch bis zur Rentenanpassung 2024 dauern, bis der aktuelle Rentenwert Ost vollständig auf das Westniveau angehoben ist. Er ist maßgeblich für die Rentenhöhe.

Im Gegenzug sinkt die Höherbewertung der ostdeutschen Arbeitsentgelte. Eine faire Regelung?
Es ist eine notwendige Regelung – sonst hätten wir ja weiterhin unterschiedliche Renten. Nur so können wir die deutsche Einheit vollenden, indem wir künftig nicht mehr zwischen Ost und West unterscheiden. Ebenso wenig, wie wir es zwischen Nord und Süd tun.

Die Angleichung des Rentenrechts wird ganz überwiegend aus Beitragsgeldern der Rentenkasse bezahlt. Ist das sinnvoll?
Die Rentenangleichung ist einer der letzten Bausteine der deutschen Einheit. Und die kostet Geld. An diesen Kosten muss sich jeder beteiligen – Besserverdienende stärker als Geringverdienende. Und diese Verteilung funktioniert nur mit Steuern. Dass der Gesetzgeber stattdessen überwiegend die Beitragszahler belastet, halte ich nicht für eine gerechte Lösung.

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