Gemeinsame Zukunft: Einen Konflikt der
Generationen erwarten Experten nicht.
Gemeinsame Zukunft: Einen Konflikt der Generationen erwarten Experten nicht.



Wer hat Angst vor der Demografie?

Meinen Eltern geht es gut. Das sagen sie selbst. Sie wohnen in einem beschaulichen Städtchen im Allgäu und sind seit ein paar Jahren in Rente. „Wir haben alles, was wir brauchen“, sagen sie mir bei Kaffee und Kuchen. „Wir sind gesund, leben im eigenen Haus und fahren jedes Jahr in Urlaub.“ Sie zehren von einer guten und sicheren Rente, die sie durch Erspartes und ein Eigenheim noch zusätzlich aufbessern. Auch mir und meinen Geschwistern geht es gut. Ich bin jetzt Ende 40. Wir haben gute Jobs und teilweise unsere eigenen Familien gegründet. Dennoch schleichen sich manchmal Zweifel ein: Wie ist das mit dem demografischen Wandel, der die Rentenkassen spürbar belasten wird? Wir lesen davon und sehen es im Fernsehen. Da ist immer öfter von einer „Rentenlücke“ die Rede, die bei unseren Eltern noch keine Rolle spielt. Manch einer behauptet, dass unsere Altersgruppe und die unserer Kinder den angenehmen Lebensstil unserer Elterngeneration finanzieren müsse. Aber stimmt das überhaupt? Ich habe mich bei den führenden Experten umgehört. „Wir sehen einer anhaltend ungünstigen Demografie entgegen“, warnt Martin Werding. Er lehrt Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum. „Deshalb sollten sich junge Menschen fürs Alter auch Kapital zur Seite legen“, ist er überzeugt. Spitzt sich da also ein Generationenkonflikt zu? „Nein“, sagt die Soziologin Ute Klammer von der Universität Duisburg-Essen, Mitglied des Sozialbeirats der Bundesregierung. „Ich würde von einer Verunsicherung sprechen.“ Klammer weist darauf hin, dass wir mittlerweile eine langlebige Gesellschaft sind. Diese „gewonnene Zeit“ sollte auf Erwerbs- und Rentenzeit verteilt werden.

Prof. Dr. Manfred Werding, Fakultät für Sozialwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

» Wir sehen einer anhaltend ungünstigen Demografie entgegen. «

Prof. Dr. Ute Klammer, Institut für Arbeit und
Qualifikation, Universität Duisburg-Essen

» Die Menschen müssen in allen Lebensphasen fürs Alter vorsorgen. «

Abmachung zwischen Generationen

„Die finanziellen Leistungen der Rentenversicherung können nicht beliebig gesteigert werden“, merkt Ökonom Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik an. Aber ist das denn gerecht? „Der Ausdruck ‚Generationengerechtigkeit‘ ist ein Wort, das erst in den letzten 15 Jahren eine größere Konjunktur erfahren hat“, sagt Börsch-Supan. Das Wort tauche in Debatten oft im Zusammenhang mit dem Wort „Generationenvertrag“ auf. Darunter verstehe man eine Abmachung zwischen den Generationen, die mit Geburt, Bildung und Erziehung beginnt und mit Pflege und Beerdigung endet. „Diese Komplexität muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen“, sagt der Ökonom. Wer nur isolierte Maßnahmen herauspicke und diese als ungerecht bezeichne, mache es sich zu einfach. Man müsse sich auch immer wieder verdeutlichen, welche Leistungen die umlagefinanzierte Rentenversicherung in ihrer Geschichte bereits vollbracht hat, seit sie 1957 in ihrer heutigen Form eingeführt wurde und damit das kapitalgedeckte System der Vorkriegszeit ablöste. Gerhard Bäcker, Experte für Sozialpolitik, vergleicht den „Generationenverbund“ mit dem einer Familie, bei dem das Versorgen von Kindern und Pflegebedürftigen, der Bau eines Hauses, das Miteinander übergreifend funktioniert – und damit mehr bedeutet als Geld. Der Koblenzer Sozialstatistiker Gerd Bosbach wiederum hat keine Zweifel, dass der Generationenvertrag auch in Zukunft verlässlich funktionieren kann: „Aus demografischer Sicht spricht jedenfalls nichts dagegen, dass sich die Rente auch morgen noch rechnet“, sagt Bosbach (vgl. Seite 24). In einem sind sich alle befragten Wissenschaftler einig: Der Generationenvertrag der Rentenversicherung wird zu oft schlechtgeredet. Dabei gebe es – trotz Reformbedarf – keine bessere Alternative. Schließlich gebe es genug Stellschrauben, um auf die neuen Herausforderungen zu reagieren. In der Vergangenheit ging es jeder neuen Rentnergeneration besser als der vorherigen. Am Ende meiner Expertenrunde bin ich mir sicher, dass es nicht auf ewig so weitergehen muss. „So gesehen finden die Jüngeren schlechtere Bedingungen vor als ihre Vorgängerjahrgänge“, fasst Bäcker zusammen. Das aber sei keine Benachteiligung, denn die Zeiten änderten sich nun einmal: „Es kann keinen Entwicklungsverlauf geben, bei dem alle Geburtsjahrgänge gleichbehandelt werden“, betont Bäcker. Würden die Regeln der Verteilung in Stein gemeißelt werden, würde dies nicht zu Generationengerechtigkeit führen, sondern jede gesellschaftliche Weiterentwicklung ausschließen. Dabei wünschen sich die Experten alle genau das: Mut zur Veränderung. Von der Politik und den Bürgern. Beim nächsten Familientreffen gibt es einiges zu bereden.

Prof. Dr. Axel Börsch-Supan, Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik München

» Gerecht ist, einmal gefundene Regeln auch langfristig durchzuhalten. «

Prof. Dr. Gerhard Bäcker, Fellow am Institut Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg-Essen

» Wir können nicht erwarten, dass der Gewinn an Lebenszeit eins zu eins ein Gewinn an Rentenzeit bei unverändertem Lebensstandard ist. «