Gisia Nazari macht eine Ausbildung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Gisia Nazari macht eine Ausbildung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund.



Endlich Heimat

 

Sie hat eine harte Zeit und viele Kämpfe hinter sich. Und sie hat gewonnen. So jedenfalls empfindet Gisia Nazary ihre aktuelle Lebenssituation. Die 33-Jährige ist Auszubildende bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, wo sie den Beruf der Sozialversicherungsfachangestellten lernt. Das Besondere bei Gisia Nazary: Sie kam erst vor zweieinhalb Jahren nach Deutschland. Die Kurdin aus dem Iran war mit ihrer Familie Jahrzehnte lang auf der Flucht. Sie selbst ist im Bürgerkriegsland Irak aufgewachsen. Als „Heimatlose“, wie sie sagt. Bislang war sie als Dolmetscherin tätig, sie gab Arabischkurse und arbeitete als Sozialassistentin. Jetzt macht Gisia Nazary eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Dass sie binnen so kurzer Zeit ein fast akzentfreies Deutsch gelernt hat, ist ihr nicht zugefallen. Es war ihr erstes und wichtigstes Ziel, nachdem sie angekommen war. „Ich fand es sehr schwer“, erinnert sie sich. Die junge Frau, die Kurdisch, Persisch und Arabisch spricht und schreibt, musste nicht nur die Sprache neu lernen, sondern auch die lateinische Schrift. „Ich saß jeden Tag bis Mitternacht über meinen Unterlagen.“

Die Einstiegsqualifizierung

Gisia Nazary den Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen hatte, erzählte ihr eine Freundin, die bei der Rentenversicherung arbeitete, von der Möglichkeit einer Einstiegsqualifizierung für Geflüchtete bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Maßnahme mit dem Titel „EQ 21“ startete erstmals 2016. „Mit diesem Projekt unterstützt die Rentenversicherung die Maßnahmen der Bundesregierung zur Integration von jungen Geflüchteten aus Kriegsgebieten“, erläutert Andreas Gössmann-Butt, Leiter des Kompetenzcenters Bildung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Zu der Einstiegsqualifizierung kamen 16 Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, Iran, Turkmenistan und Äthiopien zusammen. „Der Kurs war sehr vielfältig und interessant“, so Gisia Nazary. „Wir bekamen einen Einblick in die beiden Berufsbilder Sozialversicherungsfachangestellte und Fachinformatiker.“ In drei Blöcken wurden zunächst die Kenntnisse der deutschen Sprache vertieft, das Sprachniveau sollte Stufe C1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen erreichen. Es folgte der Teil der Berufsorientierung. Dazu gehörte ein Überblick über das Sozialversicherungsrecht sowie ein Computerkurs, in dem neben den Grundlagen der Umgang mit dem Internet, Textverarbeitung und Tabellenkalkulation gelehrt wurden. Im dritten Block arbeiteten die Teilnehmer in Projekten im Team. Nach einer abschließenden Prüfung begannen neun der 16 Teilnehmer ihre Ausbildung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Drei von ihnen wählten die Ausbildung zum Fachinformatiker, sechs die Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten.

Die Ausbildung

Gisia Nazary ist seit Herbst 2017 dabei. Nach mehreren Wochen Theorie konnte sie das Erlernte bereits in der Praxis erproben. „Wir haben an echten Fällen gearbeitet“, erzählt sie. „Wir haben Versicherungsansprüche errechnet, mit Klienten telefoniert und Briefe aufgesetzt.“ Die Arbeit macht ihr Spaß, denn dabei hat sie das Gefühl, anderen Menschen helfen zu können. Es gab aber auch Durststrecken, in denen sie sich durch den Stoff kämpfen musste. „Man muss Spaß am Lernen haben und diszipliniert sein, um die Ausbildung durchzustehen“, sagt sie. Sie erwähnt dabei Fächer wie Rechnungswesen, Wirtschaft, Sozialversicherungsrecht – und immer wieder die Sprache. „Das Ämterdeutsch ist eine eigene Sprache. Da sind selbst manche Deutsche überfordert.“ Dann gerät sie ins Schwärmen, lobt die Rahmenbedingungen der Ausbildung, etwa das „sehr gute Gehalt“. Dass nicht viel mehr junge Schulabsolventen in diesen Ausbildungsberuf strömen, kann sie sich nur dadurch erklären, dass dessen Bekanntheitsgrad zu gering sei. „Nur wenige wissen, dass es diese Möglichkeit gibt“, mutmaßt sie.

» Die Rentenversicherung unterstützt mit diesem Projekt die Maßnahmen der Bundesregierung zur Integration von jungen Geflüchteten aus Kriegsgebieten. «

Andreas Gössmann-Butt, Deutsche Rentenversicherung Bund

Das Auswahlverfahren

Die Auswahl unter den interessierten Bewerbern trifft die Deutsche Rentenversicherung Bund. „Teilnehmer müssen mindestens ein Sprachniveau auf dem Level B2 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen nachweisen“, erläutert Gössmann- Butt. „Wir setzen außerdem eine gute Kommunikationsfähigkeit, hohe Lernbereitschaft, ausgeprägte Teamfähigkeit und Interesse an einer Bürotätigkeit voraus.“ Das Auswahlverfahren besteht aus einem schriftlichen Test, einer Gruppenaufgabe und einem Einzelgespräch sowie einem Sprachtest. Die zweite Qualifizierungsmaßnahme für Geflüchtete läuft bereits seit Anfang Oktober, diesmal mit 14 Teilnehmern. Wer es nicht schafft, bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angenommen zu werden, hat dennoch anerkannte Abschlüsse in der Hand, die eine große Hilfe bei zukünftigen Bewerbungen sind. „Mit dem erfolgreichem Abschluss erhalten die Teilnehmenden neben einer Teilnahmebescheinigung auch Zertifikate zum Nachweis des Sprachniveaus nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und den Europäischen Computerführerschein“, so Gössmann-Butt. Wem es aber gelingt, wer die Sprache erlernt und die Prüfungen besteht, wird für einen Beruf mit einer sicheren Zukunftsperspektive und einer familienfreundlichen Struktur ausgebildet. Das ist Gisia Nazary besonders wichtig, denn in Berlin hat sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl, irgendwo angekommen zu sein. „Ich will hier nie wieder weg“, sagt sie. Die Heimatlose hat, wie es scheint, endlich ihre Heimat gefunden.

Ziele der Einstiegsqualifizierung EQ 21

Herstellung der Ausbildungsfähigkeit in den anerkannten Berufen Sozialversicherungsfachangestellte/-r und Fachinformatiker/- in.
Teilnehmer erhalten Zertifikate zum Nachweis des Sprachniveaus nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und den Europäischen Computerführerschein.
Die Absolventen haben die Möglichkeit, sich bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu bewerben und an einem Auswahlverfahren für einen Ausbildungsplatz teilzunehmen.

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