Länger fit am Bau

 

Mit einem Pilotprojekt will die Deutsche Rentenversicherung Nord Beschäftigte der Bauwirtschaft länger fit halten. Dafür wurde vom RehaCentrum Hamburg ein Präventionsprogramm für Arbeitskräfte mit besonders belastenden Tätigkeiten entwickelt. „Auf dem Bau gilt die Regel, dass der Mitarbeiter oft bereits mit 60 Jahren körperlich kaputt ist und nicht mehr weiterarbeiten kann“, erläutert André Grundmann, Regionalleiter der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG Bau) für die Region Nord. Sein Appell: „Unsere Männer müssen sich um ihre Gesundheit kümmern, sonst schaffen sie es nicht bis zur Rente.“ Deshalb unterstützt die Gewerkschaft ebenso wie die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) das Projekt der Rentenversicherung mit einem ersten Pilotprojekt in Hamburg.

Probleme frühzeitig angehen

Kerngedanke der Prävention ist es, gesundheitliche Probleme anzugehen, bevor sie so schlimm werden, dass eine Beeinträchtigung eintritt. Gerade Beschäftigte im Baugewerbe klagen oftmals über Rückenschmerzen. Ursachen der Schmerzen und Rückenerkrankungen sind etwa lang dauernde Überkopfarbeit, Arbeiten mit vorgebeugtem Oberkörper oder häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten. „Eine zentrale Aufgabe der Prävention ist es, an der Körperhaltung zu arbeiten“, betont Dr. Horst Danner. Der Chefarzt der Orthopädie des RehaCentrums Hamburg hält Prävention für elementar, damit Arbeitskräfte fit bleiben. „Wir werden alle älter und der Verschleiß kommt von selbst“, so Dr. Danner. Hinzu kommen oftmals noch seelische Beanspruchungen durch Organisationsmängel oder Termindruck im Job. „Jeder Beschäftigte der Bauwirtschaft kann unser Angebot nutzen“, betont Dr. Danner. Entwickelt wurde das Präventionskonzept durch das RehaCentrum Hamburg – ein Tochterunternehmen der Deutschen Rentenversicherung Nord und des Klinikums Bad Bramstedt – speziell für Mitarbeiter mit hoher Arbeitsbelastung und ersten gesundheitlichen Problemen. Ein Jahr lang wurde am Konzept gefeilt. So wurde für Beschäftigte der Bauwirtschaft, die durch schwere körperliche Arbeit, Zwangshaltungen und Bewegungsmangel ihren Rücken belasten, ein Arbeitsplatztraining entwickelt. Ob Dachdecker, Fliesenleger oder Maurer, für viele Berufsgruppen gibt es spezielle Übungseinheiten. „Der Transfer des Erlernten in den Berufsalltag ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg“, sagt Dr. Danner. Auch für die Wirtschaft seien fitte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig. „Angesichts des Fachkräftemangels suchen immer mehr Unternehmer händeringend nach guten, qualifizierten Mitarbeitern. Ältere, erfahrene Kollegen sind zunehmend gefragt“, sagt die Präventionsexpertin der BG BAU Andrea Hauck. Um auch mit Mitte 50 noch auf der Baustelle anpacken zu können, müssten die Arbeiter die richtigen Hebe- und Tragetechniken so früh wie möglich kennenlernen. Das Konzept teilt sich in vier Phasen auf. In der Initialphase werden die Arbeitnehmer vom Arbeitgeber freigestellt. Nach einer initialen Zielformulierung mit dem Rehamediziner lernen die Teilnehmer drei Tage lang in Gruppen mit acht bis zwölf Personen im RehaCentrum theoretische Grundlagen zu einer gesünderen Lebensweise und absolvieren auf ihre Probleme abgestimmte praktische Übungen. Daran schließt sich eine dreimonatige berufsbegleitende Trainingsphase an. In dieser müssen die Teilnehmer zweimal pro Woche für 90 Minuten ins RehaCentrum kommen, um ihre Übungen zu machen. Dann folgt die Eigeninitiativphase von rund fünf Wochen, in der die Teilnehmer die erlernten Übungen in ihren Lebensalltag integrieren und eventuell selbstständig an ihrer Fitness arbeiten sollen. Zum Abschluss werden rund sechs Monate nach Beginn der Maßnahme alle Kursteilnehmer nochmals für einen Tag, mit Anspruch auf Freistellung durch den Arbeitgeber, ins RehaCentrum eingeladen – zum Erfahrungsaustausch, zur Kontrolle des Erlernten und um zu prüfen, ob sie ihr Ziel erreicht haben.

Dr. Horst Danner, Chefarzt der Orthopädie des RehaCentrums Hamburg

»Der Transfer des Erlernten in den Berufsalltag ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg.«

Prävention wird übernommen

Die Kosten der ambulanten Präventionsmaßnahme werden von der Deutschen Rentenversicherung übernommen. „Ein Problem gerade in der Bauwirtschaft ist die Trainingsphase“, weiß Sven Jung von der Deutschen Rentenversicherung Nord. Typisch sei für diese Branche ein wechselnder Arbeitsort. Dennoch sollen die Teilnehmer regelmäßig das Präventionsprogramm besuchen können. „Gemeinsam mit dem RehaCentrum Hamburg werden wir die inhaltliche Ausgestaltung der Präventionsleistungen möglichst flexibel gestalten und Teilnehmer bei Problemen unterstützen“, verspricht Jung. Sobald durch das Pilotprojekt ausreichend Erfahrungen gesammelt wurden, soll es auf andere Städte ausgeweitet werden. „Die Wintermonate sind ideal für den Start des Präventionsprogramm in der Bauwirtschaft“, meint André Grundmann von der IG Bau. In dieser Zeit werde die Arbeit in vielen Betrieben angesichts der schlechten Witterung zurückgefahren. Grundmann erläutert: „In der kalten Jahreszeit trifft es die Unternehmen nicht so hart, wenn Mitarbeiter freigestellt werden müssen. Im Frühjahr brauchen wir dagegen möglichst jeden Mann auf dem Bau.“ Der Gewerkschafter wirbt bei seinen Kollegen in den Betrieben für die Maßnahme: „Leider ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen, wie wichtig Gesundheitsthemen sind.“