Kleines Glück oder große Geborgenheit

Berlin-Fans: Kira Brück mit ihrem Partner und Tochter Louisa.

Die freie Journalistin Kira Brück (35) lebt mit Partner (37) und Tochter (18 Monate) in Prenzlauer Berg.

Sie leben weit weg von ihren Familien. Wie kam es dazu? 
Kira Brück: 
Beruflich ist Berlin für uns ein Eldorado – wir können hier beide sehr gut arbeiten. Deshalb sind wir hier gelandet. Und natürlich auch, weil Berlin eine offene und kulturell spannende Stadt ist. Dass unsere Eltern jeweils um die 500 Kilometer weit weg wohnen, fällt uns erst richtig auf, seitdem wir eine Tochter haben.

Wie organisieren Sie Ihren Alltag?
Louisa besucht die Kita, seitdem sie 14 Monate alt ist. Ich arbeite und hole sie um 15 Uhr ab, dann verbringe ich den Nachmittag mit ihr. Mein Freund ist vollzeitbeschäftigt. Einmal in der Woche haben wir nachmittags die Unterstützung einer lieben Nanny. Dann kann ich länger arbeiten. Wenn wir gesund sind, funktioniert unser Modell sehr gut. Wenn nicht, klappt unser Kartenhaus ziemlich schnell zusammen.

Welche Herausforderungen haben Sie?
Die ganze Verantwortung für Louisas Betreuung liegt bei uns. Wir können nicht mal eben Oma oder Opa anrufen und um Hilfe bitten. Wenn wir Unterstützung brauchen, müssen wir immer für sie bezahlen. Und wenn wir unsere Eltern sehen wollen, ist das mit einer immensen Reiserei verbunden.

Mit diesen drastischen Änderungen hatten Sie vorher nicht gerechnet?
Nicht so sehr. Aufgefallen ist uns das besonders beim ersten Geburtstag unserer Tochter. Da saßen wir alleine mit ihr am Tisch, weil sich für die Großeltern die weite Anreise für ein Kaffeekränzchen nicht gelohnt hätte. Das macht uns dann schon traurig. Auf der anderen Seite hätten wir in den Städten, in denen unsere Eltern leben, keine Jobperspektiven. Und Berlin hat für junge Familien viel zu bieten, etwa Eltern-Kind-Cafés und Coworking-Spaces mit Babybetreuung. Das ist schon auch ein tolles Leben hier.

Großfamilie: Johanna Krüger (2. von rechts oben) und ihr Mann (rechts oben), daneben Schwägerin und Bruder.
Ihr Sohn sitzt mit seinen Cousins auf Opas Schoß. 
Die drei Mädchen sind die Töchter des zweiten Bruders (nicht im Bild).

Die Physiotherapeutin und Osteopathin Johanna Krüger (36) lebt mit ihrem Mann (32) und ihrem Sohn (15 Monate) in Frohnau am Stadtrand von Berlin.

Sie wohnen in direkter Nachbarschaft mit Ihren Eltern und der Familie Ihres Bruders. War das so geplant?

Johanna Krüger: Ganz und gar nicht. Mein Mann und ich lebten in Berlin-Mitte, so richtig urban. Dann kam unser Sohn und uns wurde es in der Stadt zu laut. Zu dem Zeitpunkt lebte mein Bruder schon mit seiner Frau und den drei Söhnen in Frohnau und meine Eltern entschieden vor einem Jahr: „Wir wollen bei unseren Enkeln sein!“ Also zogen sie von Oldenburg nach Berlin. Und dann wurde ums Eck noch eine Wohnung frei – wie für uns geschaffen. Das hat sich einfach so gefügt.

Wie fühlt sich Ihr Leben heute an?

Als Großfamilie zusammen zu leben macht für mich total viel Sinn. Wenn ich  einen Arzttermin habe oder abends weggehen möchte, passen meine Eltern auf den Kleinen auf. Auch im Hinblick auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben wird das ein Thema. Es ist schön zu sehen, wie die Vettern miteinander groß werden. Und ich habe das schöne Gefühl, eine entspannte Mutter zu sein. Einfach weil ich weiß, dass ich immer Hilfe bekomme, wenn ich sie brauche. Wir unterstützen uns im Alltag ständig.
 
Gibt es auch neue Herausforderungen, die die erweiterte Familie mitbringt? 

Wir müssen aufpassen, dass Oma und Opa sich nicht übernehmen. Wir haben in unserer neu gewonnenen Großfamilie schließlich vier kleine Jungs, die eine Menge Energie haben und viel  Beschäftigung brauchen. Und so cool, wie es auf den ersten Blick klingt, ist es natürlich nicht immer – es kommt  schon zu Reibereien.Wie das in Familien eben so ist. An manchen Tagen habe ich schlicht und einfach keine Lust, zu erklären, weshalb mein Sohn nachts wieder unruhig geschlafen hat.

Kann die Nähe auch anstrengend sein?

Nein, aber meine Eltern bürden sich viel auf. Man ist verleitet, die Entlastung anzunehmen. Manchmal muss ich aber klare Grenzen ziehen. Wenn meine Mutter anfängt, bei mir in der Wohnung zu putzen, geht das für mich in die falsche Richtung.

Wie würden Sie leben, wenn Ihre Familie nicht in der Nähe wäre?

Ehrlich gesagt fände ich das gar nicht  toll, wenn wir als Kleinfamilie alleine wären. Ich würde schauen, dass wir wenigstens in der Nähe von befreundeten Familien wohnen würden. Damit  man nicht völlig isoliert ist und die ganze Verantwortung allein trägt.