Josef Schlebes an der deutsch-niederländischen Grenze, die durch einen Stadtteil von Bocholt verläuft.
Josef Schlebes an der deutsch-niederländischen Grenze, die durch einen Stadtteil von Bocholt verläuft.



Europa im Herzen

 

Es war der Mann im Rollstuhl, dessen Schicksal Josef Schlebes besonders berührte. Der Niederländer war über viele Jahre jeden Morgen aus dem Grenzgebiet herüber nach Bocholt gekommen, um hier bei einem Telefonhersteller zu arbeiten. Als Feinelektroniker war er sehr gefragt. Dann fingen die Lähmungen an. Der Facharbeiter verlor zunehmend seine Fähigkeit zu arbeiten. Als es darum ging, eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen, kam er zu Schlebes. Der Versichertenälteste leitete ihn durch das komplizierte Geflecht von Verordnungen und und half ihm dabei, seine Rentenansprüche durchzusetzen. „Über anderthalb Jahre hatten wir sehr viel miteinander zu tun“, erinnert sich Schlebes. „Da entwickelte sich eine Freundschaft.“

Beratung auch im Betrieb

Seit einem Jahrzehnt ist der 70-Jährige als Versichertenältester der Deutschen Rentenversicherung Westfalen für den Kreis Borken zuständig. Er berät also auf ehrenamtlicher Basis seine Nachbarn – zu Hause, in den Betrieben oder in einem der beiden Büros, in denen er regelmäßige Sprechzeiten anbietet. Das eine befindet sich bei einer Krankenkasse, das andere bei der IG Metall. Menschen mit Behinderungen besucht er auch schon mal zu Hause. Wie den Rollstuhlfahrer aus den Niederlanden. „Weil Auslandstelefonate teuer waren, haben wir per E-Mail kommuniziert. Oder meine Frau hat mich rübergefahren.“ Einen Führerschein besitzt Schlebes nämlich bis heute nicht. „Dafür fahre ich Rad, wie in Bocholt üblich. Hier bekommt jeder zur Geburt ein eigenes Fahrrad“, scherzt er. Das Besondere: Schlebes ist ein Grenzgänger. Bei ihm finden quasi jeden Tag internationale Beratungstage statt. Denn im deutsch-niederländischen Grenzgebiet pendeln viele Arbeitnehmer in das jeweils andere Land und zahlen dort in das Rentensystem ein. Entsprechend können sie auch ihre Rentenansprüche in dem jeweiligen Land geltend machen. „Die Niederländer arbeiten meist in einem der vielen Fertigungsbetriebe auf deutscher Seite“, erzählt Schlebes. Bis zu 150 Pendler aus den Niederlanden haben allein bei dem Getriebehersteller gearbeitet, in dem er früher Betriebsrat war. „Die Deutschen, die in das Nachbarland pendeln, sind oftmals in der Logistik tätig, etwa als Lkw-Fahrer.“ Bocholt liegt nicht nur direkt an den Niederlanden, ein Stadtteil wird sogar von der Grenze geteilt. Mitten durch Suderwick verläuft die Staatsgrenze der Bundesrepublik Deutschland. Eine Straße heißt auf einer Seite Hellweg und auf der anderen Seite Heelweg. Hier schauen sich Deutsche und Niederländer beim Blick aus dem Fenster direkt in die Wohnstuben.

Josef Schlebes, Bocholt

»Ich habe mein Engagement als Versichertenältester nie bereut.«

Hier wächst Europa zusammen

In Bocholt könne man sehen, wie Europa zusammenwächst, findet Schlebes. Ihn freut das. Der aufgeschlossene Westfale ist das genaue Gegenteil eines Europaskeptikers. Dass die Kindertagesstätten im Grenzgebiet zweisprachige Angebote haben, findet er gut. Auch, dass die Grenze nur noch durch gelbe Striche auf dem Asphalt angezeigt wird. Und wenn er von den Freundschaften erzählt, die sich durch seine Tätigkeit als Versichertenältester ergeben haben, schwärmt er von der Herzlichkeit der Südeuropäer, die einst als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen waren und hier längst ihr Zuhause haben. Im Rahmen seiner Beratungen lernt der Versichertenberater etwa 1.500 Menschen pro Jahr neu kennen. „So laufe ich wenigstens nicht Gefahr, an Alzheimer zu erkranken“, hofft er. Die Nachfrage ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden, gute Beratung spricht sich eben herum. „Unter meinen Klienten sind viele Menschen dabei, die psychisch krank sind und sich nicht auf die Ämter trauen“, erzählt er. Aber warum tut er sich das an? „Es fing in der Zeit an, als es bei mir auf die Rente zuging“, erinnert sich Schlebes. „Ich wurde gefragt, ob ich das machen wollte. Ich bin ein aktiver Typ, ich wollte keinesfalls mit dem Ruhestand in ein Loch fallen. Daraufhin habe ich zugesagt. Und ich sage Ihnen eines: Ich habe mein Engagement als Versichertenältester nie bereut.“ Was ihn beschäftigt , ist die Frage seiner Nachfolge: Wer wird dereinst die Lücke füllen, wenn er aus Altersgründen ausscheiden muss? „Die Menschen brauchen jemanden vor Ort, dem sie vertrauen“, davon ist Schlebes überzeugt. So lautet auch sein Appell an seine Mitbürger: „Engagiert euch! Wir brauchen euch!“

Info: Beratung für Grenzgänger

Zwischen den EU-Mitgliedsstaaten koordiniert das europäische Gemeinschaftsrecht die Belange der sozialen Sicherheit, so auch für die Grenzgänger zwischen Deutschland und den Niederlanden. Es gewährleistet, dass im Ausland lebende Deutsche wie auch in Deutschland lebende Angehörige eines Vertragslandes abgesichert sind. Eine der Verbindungsstellen zu den Niederlanden ist die Deutsche Rentenversicherung Westfalen. Sie bietet gemeinsam mit Experten der niederländischen Sociale Verzekeringsbank spezielle Sprechstunden für Grenzgänger an.
Termine und Orte unter „Services“, dann „Beratung vor Ort“ auf:
www.deutsche-rentenversicherung.de

Kurz notiert...Rekord: Haushalt 2018 mit deutlichen Mehreinnahmen

Die Vertreterversammlung verabschiedete am 5. Dezember 2017 in Münster den Haushalt für das Jahr 2018. Mit über 14,8 Milliarden Euro ist dieser der drittgrößte öffentliche Haushalt Nordrhein-Westfalens. Das Haushaltsvolumen steigt um 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auf der Ausgabenseite erwartet die DRV Westfalen bei den Rentenzahlungen eine Steigerung von über 3,9 Prozent auf 12,2 Milliarden Euro, bei den Beitragseinnahmen ein Plus von 4,8 Prozent auf 11,49 Milliarden Euro. Bei den reinen Altersrenten rechnet der westfälische Rentenversicherungsträger in seinem Bereich bei den Ausgaben mit einem Plus von 4,1 Prozent auf dann insgesamt 8,19 Milliarden Euro. Bei den Beitragseinnahmen erwartet die DRV Westfalen ein Mehr von 4,8 Prozent auf 11,49 Milliarden Euro. Für die Rehabilitation werden in diesem Jahr 406,3 Millionen Euro (nach 398,3 Millionen für 2017) in den Haushaltsplan eingestellt. 2017 wurden bis zum 31. Oktober exakt 56.138 Anträge auf medizinische Rehabilitationsleistungen gestellt.