Beim neuen Index steht die Zufriedenheit der Pflegerinnen und Pfleger im Mittelpunkt.
Beim neuen Index steht die Zufriedenheit der Pflegerinnen und Pfleger im Mittelpunkt.



Von Arbeitszeiten bis Wertschätzung

Die Arbeit in der Pflege ist anspruchsvoll. Und ihre gesellschaftliche Bedeutung steigt aufgrund der demografischen Entwicklung weiter an. Zugleich verschärft sich seit einigen Jahren die Arbeitssituation in der Branche. Um diese Entwicklung zu beobachten, wurde ein neues Instrument entwickelt: der „BerufsgesundheitsIndex Pflege“, kurz BeGX. Mit dem Index liegt eine fundierte Datenbasis vor, aus der konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können. 

Der Index ist ein gemeinsames Projekt der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Er beziffert berufliche Faktoren in der Branche, und zwar erstmals weit über bisher erhobene Kerndaten hinaus. Die Zusammenarbeit mit der DRV Bund lag nahe, denn hier sind die meisten Pflegekräfte versichert und von hier kommen viele Daten, etwa zu den Themen Erwerbsminderung und Rehabilitation. Die DRV Bund profitiert auch selbst, etwa als Betreiberin von 28 Rehakliniken.

„Wir hoffen, auf Basis des Indizes außerdem die berufliche Prävention zu verbessern“, erklärt Marco Streibelt, der als Dezernatsleiter im Bereich Reha-Wissenschaften die DRV Bund im Projekt vertritt. Bisher sei die Pflege die Berufsgruppe mit dem höchsten Erwerbsminderungsrisiko. Pflegende sind besonders häufig auf der Suche nach beruflicher Neuorientierung. Dem liege in vielen Fällen eine orthopädische Erkrankung zugrunde. „Man darf nicht vergessen: Die Arbeit ist körperlich schwer, man muss heben und tragen“, so Streibelt. Ein anderer wichtiger Grund sei Stress: durch Schichtdienste, Sonntagsarbeit, Überstunden.

„Die Pandemie hat Verbesserungen bei der Berufsgesundheit in Pflegeberufen wieder neutralisiert.“

Dr. Marco Streibelt, Dezernatsleiter im Bereich Reha-Wissenschaften, DRV Bund

Berechnet wird der BeGX von DIW Econ, einem Unternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Der Index setzt sich aus Daten zusammen, die sich auf die Berufsgesundheit auswirken können: die Einkommenszufriedenheit und berufliche Weiterentwicklung, die Arbeitsbedingungen, also Überstunden und wechselnde Arbeitszeiten. Außerdem Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und Risiken der Erwerbsminderung und zuletzt das Image des Pflegeberufes mit der Frage: Wie wird der Pflegeberuf in der Öffentlichkeit wahrgenommen? „Wir ermöglichen einen breiten Blick auf die Entwicklung der beruflichen Gesundheit von Pflegekräften“, sagt Björn Kähler, der das Projekt als Abteilungsleiter Sozialpolitische Vernetzung vonseiten der BGW federführend begleitet.

Index zeigt Effekte der Pandemie

„Als Ausgangspunkt für den Index haben wir das Jahr 2013 definiert“, erläutert Björn Kähler. „In diesem Jahr beträgt der Index 100. Und seitdem entwickelt sich der Wert auf- oder abwärts, getrennt nach den Bereichen Alten- und Krankenpflege.“ Der aktuelle Bericht reicht bis zum Jahr 2020. Im letzten Jahr vor der COVID19-Pandemie lag der Index bei 109, für die Krankenpflege bei 107. Er hat sich also positiv entwickelt, deutliche Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen und beim Medienklima wurden erreicht, in der Krankenpflege nahm auch der Wert für Ressourcen leicht zu. Im Langzeittrend seit 2013 hat die Zufriedenheit mit dem Einkommen in der Altenpflege sogar um 15 Prozent zugenommen, in der Krankenpflege immerhin um sechs Prozent. Dann kam die Pandemie. „Sie hat Verbesserungen bei der Berufsgesundheit in Pflegeberufen wieder neutralisiert“, erklärt Marco Streibelt. 

Anstieg von Berufskrankheiten

Der Index sank 2020 in der Altenpflege auf 96, in der Krankenpflege auf 98. Auch die Zahl der Berufskrankheiten ist durch Corona gestiegen. Beim Image gab es unterschiedliche Trends: Während die Krankenpfleger durch ihren als heldenhaft dargestellten Einsatz in der Pandemie einen Imageaufschwung erhielten, verschlechterte sich das Image der Altenpflege. Grund: die negative Berichterstattung über Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen sowie Mitteilungen von verzweifelten Angehörigen.

„Der BeGX eröffnet einen breiten Blick auf die Entwicklung der beruflichen Gesundheit von Pflegekräften.“

Björn Kähler, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)

Einige Faktoren haben sich 2020 positiv entwickelt: Weniger Pflegekräfte machen sich Sorgen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren; und es gab immer weniger befristete Arbeitsverhältnisse – eine Folge des sich verschärfenden Fachkräftemangels in der Pflege, der aber auch zu einer höheren Arbeitsverdichtung führt. Die wiederum beeinträchtigt die Pflegequalität und die Zufriedenheit im Beruf.

DRV Bund und BGW werden in Zukunft jährlich einen Bericht zum BeGX Alten- und Krankenpflege veröffentlichen, der die Entwicklung der Berufsgesundheit in der Pflege dokumentiert. Claudia Moll, die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, lobte die Einführung des neuen Instruments: „Endlich haben wir ein fortlaufendes Monitoring für Arbeitsbedingungen, Gesundheit und das Image der Pflegebranche. Solche Daten können der Politik dabei helfen, zukunftsweisende Entscheidungen zum Wohle der Mitarbeitenden und damit letztlich auch der zu versorgenden Menschen zu treffen.“

Hintergrund zum Berufsgesundheits-Index: www.t1p.de/BeGX