Eine Heilpädagogin, die selbst Heilung sucht: Die Deutschtürkin Cemile Alim im Reha-Zentrum Seehof in Teltow bei Berlin.
Eine Heilpädagogin, die selbst Heilung sucht: Die Deutschtürkin Cemile Alim im Reha-Zentrum Seehof in Teltow bei Berlin.



Worte, die wirken

 

Cemile Alim will zurück. Zurück in den Job. Die 52-jährige Heilpädagogin kümmert sich in ihrem Berufsleben um Erwachsene mit geistiger Behinderung. Doch seit einiger Zeit arbeitet sie nicht. Weil bei ihr eine Depression diagnostiziert wurde, macht die Berlinerin eine psychosomatische Rehabilitation im Reha-Zentrum Seehof in Teltow, gleich hinter der Stadtgrenze im Süden von Berlin. Dort sagt sie an einem kühl-vernebelten Novembertag mit verhaltenem Lächeln: „Ich liebe meine Arbeit. Aber in letzter Zeit fühlte ich mich den Anforderungen oft nicht gewachsen.“ 1979, Cemile Alim war damals 14 Jahre alt, holten ihre bereits ausgewanderten Eltern sie und ihren Bruder aus der Türkei nach Berlin nach. Weil die Jugendliche meist nur türkisch sprach, meldete sie sich an der Volkshochschule zu einem Deutschkurs an und machte dort auch ihren Hauptschulabschluss. Sie erarbeitete sich dadurch einen großen Vorteil: fließend Deutsch zu sprechen.

Vielsprachige Reha-Zentren

„Die Sprachkenntnisse sind für Migranten in der Reha das größte Problem. Gerade in der Psychosomatik“, sagt Scharif Bahri. Er ist Oberarzt am Reha-Zentrum Seehof, in dem auch immer wieder Menschen aufgenommen werden, die einen Migrationshintergrund haben. „Die Krankheitsbilder, die wir hier haben, sind ja hauptsächlich durch Gespräche und Kommunikation zu behandeln.“ Doch wer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, habe es grundsätzlich schwer: „Ich gehe davon aus, dass manche psychischen Krankheiten chronisch werden, weil sich Menschen nicht verständlich machen können.“ „Wir haben begrenzte Möglichkeiten fürs Dolmetschen“, sagt der Oberarzt. Passt es nicht, werde improvisiert, sagt Bahri: „Wir greifen auch mal aufs Personal zurück oder auf Verwandte.“ Dauernd können diese Helfer natürlich nicht dabei sein. Etwa beim Kontakt mit anderen Rehabilitanden. Dabei hänge so viel von guten Kontakten zu anderen Patienten ab: „Eine weitestgehende Integration ist ein gutes Rezept für eine Behandlung“, fasst Bahri zusammen. Immer mehr Reha-Zentren sind multilingual aufgestellt, etwa mit Türkisch, Arabisch, Russisch, Chinesisch oder Kurdisch. Damit Sprachprobleme bei der Klinikauswahl berücksichtigt werden, sollten sie gleich im Reha-Antrag vermerkt werden. Dann muss niemand die Reha scheuen. Drei von sechs Wochen hat Cemile Alim nun hinter sich. Es gehe ihr bedeutend besser: „Man kommt verschlossen an und öffnet sich allmählich.“ An ihrem ersten Tag kamen neun weitere Neulinge an. „Wir sind eine richtige Gruppe geworden, wir reden und machen viel zusammen“, erzählt sie. Als Migrantin sieht sie sich hier nicht.