Sabine Meißner an ihrem Schreibtisch. Das Lesegerät nutzt sie, um Papierausdrucke besser
erkennen zu können.
Sabine Meißner an ihrem Schreibtisch. Das Lesegerät nutzt sie, um Papierausdrucke besser erkennen zu können.



Mit Offenheit guten Weg gefunden


Auf den ersten Blick sieht der Arbeitsplatz von Sabine Meißner nicht anders aus als jeder andere. Auf dem Schreibtisch der Abteilungsleiterin stehen zwei Bildschirme, eine Tastatur liegt davor. Erst bei näherem Hinsehen erkennt man die großen gelben Buchstaben darauf. Auch die Schrift auf den Monitoren ist deutlich größer als üblich. Sabine Meißner ist sehbehindert. In ihrer Funktion verantwortet sie nicht nur Milliarden Euro, sondern leitet auch 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
 

»Wenn ich meine Tasse in der Spül‑ maschine suche, findet sie eine Kollegin oder ein Kollege für mich.«

Sabine Meißner
 

Alle sind sehr hilfsbereit. Wenn ich mal wieder meine Tasse in der Spülmaschine suche, findet sie eine Kollegin oder ein Kollege für mich. Sie warnen mich auch, wenn auf dem Gang etwas steht, was dort nicht hingehört“, erzählt sie. Aber nicht nur ihr Team unterstützt sie, vor allem ihre Offenheit und Eigeninitiative bringen Sabine Meißner weiter. 2014 beantragte sie bei ihrem Rentenversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, konkret eine sogenannte Unterstützung im Bereich Sehvermögen. „Ich kannte in unserem Haus keine Kollegen mit ähnlichen Einschränkungen, die ich hätte fragen können. Deshalb habe ich mich kurzerhand an das Kompetenzzentrum ‚Rund um das Sehen‘ des Berufsförderungswerkes Halle gewendet“, erinnert sich die 57-Jährige.
 

Ergonomischer Arbeitsplatz

Das soziale Dienstleistungsunternehmen bietet Bildungsmaßnahmen für die berufliche Neuorientierung blinder und sehbehinderter Erwachsener an und berät darüber hinaus Betroffene rund um den ergonomischen Arbeitsplatz. Bei einer dreitägigen Sehhilfenerprobung analysierten die Experten zusammen mit Sabine Meißner, welche visuellen Defizite sie hat und mit welchen Hilfsmitteln diese Einschränkungen kompensiert werden können.

Die Wahl fiel auf eine Vergrößerungssoftware, die am Bildschirm nicht nur die Schrift in Dokumenten, sondern auch die Menüpunkte und den Cursor der Maus größer darstellt. Eine Sprachausgabe liest ihr zudem Texte vor und sagt ihr, wo sie sich aktuell im Programm befindet oder welche Funktionen verschiedene Icons haben. Für Papierausdrucke nutzt Sabine Meißner ein Lesegerät, das mit einer speziellen LEDLeuchte ausgestattet ist und mit dem sie genau wie am Bildschirm die Farbeinstellungen verändern kann, um Texte besser erfassen zu können. Das mobile Gerät kann sie mit zu Sitzungen nehmen und ist damit auch außerhalb ihres Büros gut ausgestattet. „Natürlich kostet das mehr Zeit, aber die Technik ermöglicht es mir, an meinem Arbeitsplatz und bei Treffen immer arbeitsfähig zu sein“, sagt sie erfreut.

Schwieriger wird es für sie auf Dienstreisen. Während sie in ihrem gewohnten Umfeld gut zurechtkommt und ihr auch die tägliche Fahrt mit der S-Bahn zur Arbeit nichts ausmacht, fordern sie unbekannte Umgebungen heraus. „Vor Dienstreisen, bei denen ich in kurzer Zeit immer wieder in andere Räume wechseln muss, hat es mich zunehmend gegraut“, gibt sie zu.

Aber auch hierfür hat sie eine Lösung gefunden: Im vergangenen Jahr ließ sie sich von einer Arbeitsassistentin auf einer Reise zu einem Führungskräftetreffen begleiten. Die junge Frau kündigte an, wenn Stufen auf dem Weg lagen, oder warnte sie vor anderen unwegsamen Begebenheiten auf der Strecke. „Die Kolleginnen und Kollegen würden mich natürlich auch bei einem solchen Treffen unterstützen. In solchen Fällen habe ich mich aber dafür entschieden, eine externe Hilfe zu organisieren, weil ich mich so einfach wohler fühle“, sagt Sabine Meißner.
 

Es gibt immer Unterstützung

In den Jahren hat sie für sich Wege gefunden, mit denen sie gut durch den Alltag kommt. Kündigen die Verkehrsbetriebe einen Streik an, bestellt sie noch am gleichen Tag ein Taxi, um keinen Stress zu haben und pünktlich im Büro zu sein.
 

Software und Sprachausgabe helfen zusätzlich.


Ob Videokonferenz, Software-Update oder PDF-Vorlesefunktion – Sabine Meißner findet bei jedem Problem eine Lösung, auch weil sie beherzt zum Telefon greift, wenn sie allein nicht weiterkommt. Sie weiß: „Eine Sehbehinderung ist eine Einschränkung, die man 24 Stunden am Tag hat, aber es gibt Unterstützung. Man muss sie nur nutzen.“ 
 

...BFW Halle

Kompetenzzentrum rund um das Sehen Das BFW Halle ist ein überregional tätiges soziales Dienstleistungsunternehmen, das vielfältige Bildungsmaßnahmen für die berufliche Neuorientierung blinder und sehbehinderter Erwachsener anbietet. Darüber hinaus berät es Betroffene rund um den ergonomischen Arbeitsplatz. www.bfw-halle.org