Meine tägliche Grenzerfahrung

 

Ich bin eine Powerfrau, schon immer. Als Jugendliche war ich Turniertänzerin, ich habe viel Tennis gespielt, fuhr Ski, Schlittschuh, Fahrrad … Ich führte ein ganz normales, aktives Leben, liebte meinen Job, trieb Sport, traf mich mit Freunden. Dann fing es an, im Rücken zu zwicken. Ich war damals 30 Jahre alt. Erst hieß es: Bandscheibe. Nach zwei Jahren Operationen, Reha, Taubheit im linken Bein, dann Krücken, erhielt ich die niederschmetternde Diagnose: chronische Rückenmarkserkrankung. Seit 2008 sitze ich im Rollstuhl. Gerade ich, die ich mich so gerne verausgabt habe. Und jetzt, zehn Jahre später, fahre ich als Mannschaftskapitänin der deutschen Rollstuhl-Curler zu den Paralympics nach Pyeongchang. Dazwischen lagen Jahre, in denen ich anfangs sehr niedergeschlagen war. Dennoch lernte ich langsam, dass der Rollstuhl auch etwas Positives hatte. Nachdem ich zwei Jahre lang immer weniger machen konnte, ging es wieder aufwärts. Hatte ich mich anfangs noch isoliert, konnte ich nun wieder selbstständig aus dem Haus undFreunde treffen. Das gab mir Auftrieb. Ich bin ein extrem positiver Mensch, das hat mir bei meinem Vorhaben, wieder ein normales Leben führen zu wollen, sehr geholfen. Wenn ich niedergeschlagen bin, sage
ich mir: „Wenn du Normalität haben möchtest, musst du aktiv werden.“ Ich wollte wieder Auto fahren, also habe ich mich darum gekümmert. Ich wollte wieder arbeiten, also bat ich meinen Arbeitgeber, eine Rehaklinik, mich im Büro statt auf Station einzusetzen. Morgens aufstehen müssen ist wichtig.

Christiane Putzich, 42, aus Füssen. Mit dem Team der deutschen Rollstuhlcurler nimmt sie im März an den Paralympics in Südkorea teil.

Auch meine Einkäufe erledigte ich bald selbst. Grundsätzlich sind die Dinge, die ich brauche, in den Supermarktregalen, an die ich nicht herankomme. In so einem Moment an einen Fremden heranzufahren und um Hilfe zu bitten, fühlt sich beim ersten Mal gar nicht gut an. Aber auch das muss man lernen.Der Schlüssel ist, das Leben zu akzeptieren, so wie es ist. Man kann mit seinem Schicksal hadern, aber das bringt einen nicht weiter. Akzeptanz, Hilfe annehmen und den engsten Mitmenschen voll vertrauen, das sind meine drei Säulen. Und dass ich immer wieder Neues ausprobiere. Curling ist eine Wintersportart, die dem Eisstockschießen ähnelt. So etwas schien mir vor der Erkrankung zu passiv. Jetzt ist es der perfekte Sport für mich. Seit ich das erste Mal auf dem Eis war, bin ich total davon begeistert. Mit dem Sport und den neuen Freundschaften, die sich daraus ergeben haben, eröffnen sich neue Welten für mich. Anfangs ist das Leben komplett anders, aber wenn man dann drin steckt und die neuen Techniken für den Alltag erlernt hat, merkt man, dass sich eigentlich gar nicht viel geändert hat.