Mondays for Money!

 

 

Früher, als die Welt noch übersichtlich war, hatte ich einen Sparelefanten aus grünem Plastik. Weil der Investment-Profi rät, nie alle Eier in einen Korb zu legen, sammelte ich zudem Ein- und Zwei-Pfennig-Münzen in einer großen, leeren Vermouth-Flasche. Der Geruch klebt immer noch in meiner Erinnerung, die lächerliche Summe des Haufens nicht. Das hieß übrigens „Sparen“, was wir damals gemacht haben, liebe Kinder – eine Kulturtechnik, die verhindern soll, dass wir später bei euch einziehen. Meine Söhne glauben mir mal wieder nicht. „In China kann man einen Apfel auf dem Markt mit dem Handy bezahlen“, sagt mein Kleiner. „Toll“, sage ich und fische ein paar Münzen aus meiner Hosentasche. Das Klimpern beruhigt mich. In Amerika soll es einen Supermarkt geben, der am Smartphone erkennt, wer eintritt, alles registriert, was in den Jutebeutel gleitet, und umgehend abbucht. Warum mühsam das Ersparte zusammenkratzen, wenn man das Smartphone lässig vors Lesegerät halten kann, fragen meine Kinder. „Genau deswegen“, erwidere ich. Bequemlichkeit ist ein anderes Wort für Kontrollverlust. Ein Schein ist ein endliches Ding: Zwei T-Shirts später ist maximal noch Klimpergeld für ein Eis übrig. Aua. War das zweite T-Shirt wirklich alternativlos?

Schmilzschmerz tut gut

Echtes, analoges Geld schwindet sichtbar, was Schmilzschmerz erzeugt. Gut so. Knappheit zwingt zum Auswählen. Falsches, digitales Geld erzeugt dagegen den Eindruck unbegrenzter Verfügbarkeit, erst recht, wenn mir ein digitales GangsterUnternehmen rasch den One-Click-Kredit mit Zombiezinsen anbietet. Als berufsmäßiger Schwarzmaler sehe ich meine Kinder ein Leben in der Schuldenfalle führen, stets getrieben, Geld anschleppen zu müssen für Kram, der längst in der Müllverbrennung schwelt. Freiheit und Bescheidenheit sind nun mal ebenso Geschwister wie Konsum und Zwang. Ganz abgesehen davon, dass jede digitale Zahlung dokumentiert ist. Was sich nur Instagrammer wünschen können, die nie ein Privatleben hatten. Schön, dass die Kinder stolz sind auf den „Friday for Future“, wenn fürs Klima die Schule geschwänzt wird. Höchste Zeit, dass die Generation Heiermann auch mal protestiert, so ganz grundsätzlich. Hiermit rufe ich auf zu „Mondays for Money“, wahlweise zum „Brückentag für Bargeld“. Wir demonstrieren nicht auf der Straße, sondern an den Kassen. Den ganzen Tag lang werden wir nicht einmal Plastikgeld zücken oder gar unsere kontaktlose HandyBörse bemühen. Stattdessen wird alles immer und überall bar bezahlt, mit kleinen Scheinen. Unpraktisch? Mag sein. Dauert lange? Auch wahr. Und genau das macht den Reiz aus. Wer Geld gemächlich ausgibt, hat einfach mehr davon.

Dr. Hajo Schumacher, 55, ist Journalist und
Buchautor. In „Solange du deine Füße auf meinen Tisch legst“ beschreibt er sein „schrecklich lustiges Leben als Vater“. Sein
aktueller Titel „Männerspagat“ beleuchtet
moderne Geschlechterrollen (Eichborn, 2018).
Schumacher lebt mit seiner Familie in Berlin.