Der Papst als Modeinfluencer – das ist mein erster Gedanke, als ich durch meinen Feed scrolle und Franziskus in einem kuscheligen, weißen Daunenmantel und mit einer gold glänzenden Kruzifix-Kette entdecke. Ganz im Tonfall der App hätte ich fast „Woher Mantel?“ kommentiert, als mir auffällt, dass daran irgendwas nicht stimmen kann. Würde Papst Franziskus so den Vatikan verlassen?
Es geht weniger um fesche Looks
Wer weiß, ob er würde – wichtig ist: Er hat es nicht getan. Das Foto wirkt echt, so nebenbei geschossen, als hätte der Papst gerade ein Hotel auf dem Weg zur Fashion Week verlassen. Aber: Im Vatikan geht es weniger um fesche Looks. Das Bild stammt von einer künstlichen Intelligenz und ist ein Beispiel dafür, wie schwer es uns inzwischen fällt, Wahrheit von Fake zu unterscheiden. Dabei ist die Palette an Nicht-Wahrheiten groß. Ist das Papst-Foto im Stile eines Rappers nur ein lustiger Gag oder schon absichtliche Desinformation? Das Bild ist sicher keine Fake News im großen Stil, aber es hat mich schon erschreckt, wie realistisch die Komposition wirkt und wie schnell wir darauf reinfallen.
Gibt es Quellen?
Damit wären wir bei der ersten Regel, die es zu befolgen gilt, wenn wir uns unsicher sind, ob etwas wirklich stattgefunden hat: Gegenchecken. Gibt es Quellen? Wie seriös sind die? Passt der Text zum Bild? Auch in meinen Chatgruppen mit Familie und Freunden werden schnell mal Links oder Bilder geteilt, bei denen ich oft das Gefühl habe, dass hier etwas nicht stimmt. Ich versuche dann, den Schneeballeffekt zu stoppen, und schicke Links und Hinweise in die Gruppe. In der Regel bedankt sich aber niemand bei mir für die Aufklärung, sondern ich bin die Klugscheißerin, die Spaßverderberin, die sich anhören muss, dass der geteilte Inhalt ja „wahr sein könnte“. Das ist der Punkt, an dem es spannend wird: Halbwahrheiten und Fake News können entlarvt werden, sie bleiben für viele Leute aber interessant, weil sie eine Alternative zeigen, die so auch passiert sein könnte – solange sie zur eigenen Agenda passt.
Ein halb wahrer Brei
Können wir uns im Nachhinein erinnern, welche Bildchen echt sind und welche nicht? Welche News wirklich stattgefunden hat und welche nur hängen geblieben ist, weil sie wahr sein könnte? Oder verschwimmt alles zu einem halb wahren Brei und unsere Enkel lernen in ihren Geschichtsbüchern, dass 2023 das Jahr war, in dem der Papst zum Influencer wurde. Wie wir damit umgehen, wenn wir den Papst als wandelndes Daunenkissen weiterschicken, ohne dazu zu sagen, dass das Bild nicht echt ist, ist in Zeiten, in denen Social Media und künstliche Intelligenz Werkzeuge von Wahlkampf und Informationskrieg sind, eine der großen Fragen. Egal, ob Franziskus doch noch Streetstyle-Star wird oder nicht.