Man muss es nur kitzeln!

Vor 25 Jahren sollte ich in der Schule aufschreiben, wie ich mir mein Leben als Erwachsene vorstellte. Ich schrieb, ich würde auf einer Insel in der Ostsee wohnen und als freie Journalistin arbeiten. Ich hätte ein, höchstens zwei Kinder und einen supersportlichen Mann. Und ich würde einen Mazda MX5 fahren, das schönste Auto der Welt.

Das waren alles Dinge, von denen ich mir vorstellte, sie würden mich glücklich machen. Nun gut, Hannover liegt nicht an der Ostsee. Das Kind habe ich bekommen, es ist perfekt. Mein Mann allerdings redet sich ein, ab und an mit dem Fahrrad zum Pizzaessen zu fahren, sei auch Sport. Dafür ist er sehr klug. Und der Mazda MX5 ist immer noch schön, aber zum Reisen unnütz. Deshalb bewundere ich ihn aus der Ferne, während ich mit einem praktischeren Auto Campingplätze besuche. Denn das ist es, was mich inzwischen glücklich macht: rauskommen, durch die Natur wandern, die Freiheit eines eigenen Fahrzeugs genießen. Diese Freiheit findet nur in der Enge des Autos ihre Grenzen, was die Stimmung im Urlaub regelmäßig explodieren lässt.

Aber selbst diese Explosion ist schön, denn es gäbe sie nicht ohne all die anderen Zutaten meines Glücks. Mit einem Roman auf dem Klappstuhl in der Sonne sitzen, fern von Laptop und Smartphone – das macht mich glücklicher als jeder Sportwagen. 

Nun bin ich nicht dauerhaft im Urlaub und musste lernen, auch aus dem Alltag Glücksmomente zu schöpfen. Inzwischen weiß ich, wo es viel davon gibt: im Spaghettieis der Eisdiele um die Ecke. In der Lieblingsbuchhandlung. Oder im Programmkino.
Wenn ich das Glück kitzeln will, schreibe ich mir abends kleine Notizen. Etwa bei einer Herausforderung. Ich schreibe mir dann, dass ich das sicher schaffen werde. Dann stehe ich am nächsten Morgen auf, lese den Brief und bin glücklich, weil jemand an mich glaubt – ich selbst! Ich bin davon überzeugt, dass man das Glück mit kleinen Tricks herausfordern kann. Anders kann ich mir meinen Ruf als Glückskind in der Familie nicht erklären – ich habe schon sämtliche Gewinnspiele mit Ansage gewonnen. Mit Sicherheit nur, weil ich dran geglaubt habe. Ein bisschen kann man dem Glück auf die Sprünge helfen. Und wenn es einen Anlauf mehr braucht, dann halte ich mein Gesicht in die Tageslichtlampe, freue mich auf die nächste Vitamin-D-Dusche auf dem Campingplatz und bin sicher: Es kommt immer wieder. Es ist nie ausgeschöpft. Glück ist immer da.

 

Ninia LaGrande

Die Moderatorin, Autorin, Podcasterin und Schauspielerin lebt mit Mann und Kind in Hannover. Ihr Buch „Von mir hat es das nicht!“ (Blaulicht, 2019) handelt von den Herausforderungen des Elternseins.