Stefan Marquard will Schulkindern vermitteln: Kochen rockt.
Stefan Marquard will Schulkindern vermitteln: Kochen rockt.



„Von Verboten halte ich nichts“

Herr Marquard, Sie sind derzeit wieder mit dem Projekt „Sterneküche macht Schule“ in Deutschland unterwegs. Woher kommen Sie gerade?
Stefan Marquard: Wir waren gerade zwei Tage lang an einer Schule im hessischen Friedberg und haben dort gemeinsam mit dem Personal der Mensa und den Schülern gekocht.

In den vergangenen acht Jahren haben Sie in rund 200 Schulen gekocht. Wie ist es nach Ihrem Eindruck um gesunde Ernährung in Deutschland bestellt?
Ehrlich gesagt, sieht es düster aus, wenn ich sehe, was den Kindern größtenteils vorgesetzt wird. Vormittags gibt es an den Pausenbüdchen Riegel aller Art, Donuts, Schokohörnchen, aufgetaute Pizzastücke und allenfalls noch aufgebackene Brezeln. Zu 99,9 Prozent ist das ernährungstechnisch untauglich. Bei den Getränken sieht es noch übler aus: Da ist so viel Zucker drin – 100 Gramm auf einen Liter –, dass es mich gruselt. Sogar die angeblich so gesunde Schulmilch mit Geschmacksstoffen, die es an vielen Schulen schon seit Jahrzehnten gibt, müsste aufgrund ihres hohen Zuckergehalts streng genommen gestrichen werden.

Sollte Ernährung an den Schulen ein eigenes Unterrichtsfach sein? 
Absolut! Ich würde mich sogar so weit aus dem Fenster lehnen zu sagen, dass das Thema Ernährung auf lange Sicht wichtiger ist als so manches Schulfach. Dass im Lehrplan kein Platz sein soll für so essenzielle Dinge wie Gesundheit und Fitness, leuchtet mir überhaupt nicht ein. Und wenn schon kein eigenes Schulfach möglich ist, könnte man das Thema zumindest in andere Fächer integrieren. Beim Kochen kann man auch Kompetenzen vermitteln, die man als Schüler lernen sollte. Rechnen zum Beispiel: Wie viel Gramm braucht man? Wie viel Milliliter? In Deutsch könnte man die Rezepte, die vorher gekocht wurden, aufschreiben, in Kunst Illustrationen dazu malen.

Welche Auswirkungen hat ungesunde Ernährung nach Ihrer Erfahrung auf Kinder?
Wenn man ein Mittagessen bekommt, das überhaupt nicht ausgewogen und gesund ist, sondern voller Zucker, dann hat es direkte Auswirkungen. Ich frage mich: Wie sollen Kinder nach so einem Essen noch konzentriert arbeiten können? Das funktioniert nicht. Und im schlimmsten Fall kommen noch psychische Probleme hinzu, wenn ein Kind durch schlechte Ernährung so dick ist, dass es Mobbing ausgesetzt wird.

Ist es nicht Sache der Eltern, für eine gesunde Ernährung ihrer Kinder zu sorgen?
Ich muss leider sagen, dass die meisten Erwachsenen nach meinem Eindruck sich ebenfalls nicht auskennen. Wie sollen sie es da ihren Kindern vermitteln? In vielen Familien wird sich nicht ausreichend Zeit für eine gesunde Ernährung genommen. Das ist bedauerlich, denn ich erlebe bei unserem Schulprojekt sehr oft, dass Kinder ein großes Interesse am Thema Essen und Ernährung entwickeln, wenn sie erst einmal aktiv beim Kochen eingebunden werden. Sicher, am Anfang ist es anstrengend, weil es viel länger dauert, als allein zu kochen. Aber die Kleinen können oft viel mehr, als man ihnen zutraut. Einige wachsen gar über sich hinaus, wenn man sie mitmachen lässt. 

Aber das oft verachtete Gemüse wird doch dann trotzdem nicht gegessen, oder?
Erst einmal tut das Erfolgserlebnis des Kochens der Psyche gut. Und wenn man mitkochen darf, will man das Ergebnis zumindest mal probieren, auch wenn man zum Beispiel Gemüse sonst vehement ablehnt.

Wie verhindert man, dass das Kochen mit Kindern nicht im Chaos mündet?
Wichtig ist, den Rahmen abzustecken und die Spielregeln zu erklären. So machen wir es in den Schulen auch: Wir erklären, wozu welches Utensil dient, was gefährlich ist und nur unter Aufsicht benutzt werden darf und was nur die Erwachsenen anwenden dürfen. Das funktioniert gut. Dieses gemeinsame Kochen macht einfach richtig viel Spaß, es schweißt meiner Erfahrung nach auch als Familie zusammen.

Wie kam es dazu, dass Sie als Sternekoch Schulkindern Unterricht im Kochen geben?
Meine Söhne sind schuld. Sie sind mittlerweile erwachsen, 25 und 23 Jahre alt, aber als Kinder meinten sie zu mir: Papa, kannst du nicht mal an unserer Schule kochen? Dadurch begann ich, mich mit dem Thema Ernährung an Schulen zu beschäftigen, und seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen.

Wie haben Sie es geschafft, Ihre eigenen Kinder gesund zu ernähren, als sie klein waren?
Mit viel Geduld. Unser großer Sohn war immer schon experimentierfreudig  – er hat gerne Neues ausprobiert und zum Beispiel von klein auf Scharfes geliebt. Der Jüngere war eher puristisch. Er aß am liebsten Kartoffeln. Aber mit der Zeit hat sich das auch geändert. Ich habe ihm immer wieder andere Sachen angeboten, auch wenn das manchmal anstrengend war und ich dachte: „Dann mach doch, was du willst“, wenn er mein Essen wieder nicht angerührt hat. Aber irgendwann hat es „Klick“ gemacht. Heute isst er eigentlich alles.

Sie haben Ihren Söhnen nie bestimmte Lebensmittel verboten?
Nein, davon halte ich nichts. Ich finde, man muss aufklären und das kann auch gerne sehr anschaulich sein: Zum Beispiel hat mein Kollege seiner Tochter, die gerne Cola trank, ein randvolles Glas mit Zuckerstücken vor die Nase gestellt. Iss die mal, hat er gesagt! Das fand sie natürlich eklig und er hat erklärt, dass in einer Flasche Cola so viel Zucker ist. Das hat gewirkt.

Wenn das Kind nun partout etwas Süßes möchte?
Dann empfehle ich, eine Alternative zu gekauften Süßigkeiten herzustellen. In der letzten Schule, in der wir waren, haben wir zum Beispiel einen süßen Brotaufstrich gemacht, der an eine sehr bekannte Schokocreme erinnert, mit Datteln, Nüssen, Haferflocken und getrockneten Früchten. Das kam super an. Oder man macht Eis selbst, indem man Wasser, Joghurt oder Hafer, Dörrobst und Minze in den Mixer gibt. Ich verspreche, das schmeckt einfach lecker.

Kinder sind viel offener, etwas Neues zu probieren, wenn sie es selbst gekocht haben.

„Gesunde Ernährung ist langfristig wichtiger als so manches Schulfach.“

Stefan Marquard, Sternekoch

DATEN & FAKTEN - Kochen macht Schule

Der gelernte Koch und Metzger Stefan Marquard ist im Laufe seines Berufslebens mit einem Michelin-Stern, mit der „Goldenen Schlemmerente“ sowie mit 18 Punkten im Restaurantführer Gault&Millau ausgezeichnet worden. Als Vater von zwei mittlerweile erwachsenen Söhnen setzt er sich schon lange für eine qualitativ hochwertige Schulverpflegung ein. Gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See hat er vor acht Jahren das Präventionsprojekt „Sterneküche macht Schule“ gegründet, mit dem er für gesündere, aber trotzdem leckere Schul- und Kitaverpflegung und ein besseres Ernährungsbewusstsein bei Kindern und Jugendlichen sorgen will. Dazu schult er nicht nur das Küchenpersonal, sondern lässt auch die Kinder an die Töpfe und Pfannen. 

Weitere Infos zum Thema:
www.sternekueche-macht-schule.de

Stefan Marquard

ist Sternekoch, Fernsehstar und Kochbuchautor. Der in Schweinfurt geborene 60-Jährige hat mittlerweile seine eigene Kochschule gegründet. Sein Motto: Die Revolution beginnt im Topf

Mehr Infos zum Thema:
t1p.de/kinderreha-DRV

Pausenbrot-Aufstrich „Power und Sweet“

Zutaten für 4 Personen:

Zutaten
• 50 g Mandeln gemahlen
• 1 Karotte
• 2 Äpfel
• 70 g Datteln ohne Stein
• 50 g Aprikosen getrocknet
• 70 g Haferflocken
• 50 g Sonnenblumenkerne
• 1 TL Kokosöl
• 2 EL Kakao
• etwas Zimt gemahlen
• ein wenig Ingwer gemahlen
• ½ Zitrone

Zubereitung
1. Datteln, Aprikosen, Mandeln, Haferflocken, Sonnenblumenkerne mit Kokosöl sowie den Saft und Abrieb der Zitrone grob mixen.
2. Äpfel und Karotte schälen, raspeln, ausdrücken und unterheben. Kakao dazugeben und mit Zimt und Ingwer verfeinern.