Frau Strobel, man liest und hört immer wieder vom sogenannten Gender-Pay-Gap. Was bedeutet das genau?
Dass Frauen selbst bei gleicher formaler Qualifikation, auf gleicher Hierarchieebene in ein und demselben Unternehmen oder derselben Branche sehr häufig weniger verdienen als Männer. Im Durchschnitt sieben Prozent.
Wenn man das auf das gesamte Berufsleben hochrechnet, entgeht ihnen dadurch ein kleines Vermögen. Wie kann das sein?
Es gibt zwei Gründe: In Deutschland ist das Thema Gehalt in der Privatwirtschaft – im Öffentlichen Dienst ist das anders – sehr intransparent. Häufig wissen die Mitarbeitenden nicht, was ihre Kollegen verdienen. Dass da ein enormer Unterschied vorliegt, kommt meist zufällig heraus. Eine Frau, die ich gecoacht habe, hat es erfahren, weil der Gehaltszettel ihres Kollegen im Kopierer lag.
Was ist der zweite Grund?
Dass Frauen, wenn es um ihr Gehalt geht, tatsächlich gar nicht oder zu wenig verhandeln – und daran hat sich nicht einmal durch die Diskussionen um den Fachkräftemangel und die damit verbundene starke Nachfrage nach Personal etwas geändert.
Eine Studie hat ergeben, dass 41 Prozent aller Frauen noch nie ihr Gehalt verhandelt haben. Bei den Männern waren es nur 26 Prozent. Wie kommt es zu diesem Ungleichgewicht?
Frauen unterschätzen häufig, wie groß beim Gehalt der Spielraum ist. Und sie achten oftmals nicht darauf, wie stark ein höheres Gehalt sich langfristig auf eine auskömmliche Rente auswirkt.
„Ich rate Frauen, mutiger zu sein. Eine Gehaltserhöhung kommt nicht auf dem Silbertablett.“
Ljubow Strobel (36) hat in Hannover „International Business“ studiert und arbeitet heute als Gründerin und Geschäftsführerin der Frau verhandelt GmbH.
Sie wissen nicht, dass sie ihr Gehalt verhandeln könnten?
Ja, das klingt verrückt, aber so ist es. Häufig erlebe ich, dass sie so dankbar sind, einen Job gefunden zu haben, der ihnen gefällt, dass sie das Angebot direkt akzeptieren. Hinzu kommt die Angst, unverschämt zu wirken. Das liegt oftmals an unserer Erziehung und Sozialisierung. Frauen wertschätzen oft ihre eigenen Talente nicht genug. Und wenn ihnen ihr Beruf viel Spaß macht, empfinden sie eine Gehaltsverhandlung häufig als unangemessen.
Was raten Sie Frauen?
Aktiv zu sein und mutig! Eine Gehaltserhöhung kommt nicht auf dem Silbertablett. Wer mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen möchte, muss die Vorgesetzten gut vorbereitet darauf ansprechen.
Welche konkreten Tipps haben Sie?
Vor dem Gespräch sollte man seinen Marktwert recherchieren und herausfinden, wie hoch das übliche Gehalt in der eigenen Branche ist, und es mit den eigenen Fähigkeiten und der Berufserfahrung abgleichen. So hat man im Gespräch eine Zahl parat. Denn nichts ist schlimmer als zu fragen: Was haben Sie sich denn vorgestellt? Mit dieser Frage zeigt man Schwäche und legt offen, dass man seinen Marktwert nicht kennt. Überlegen Sie sich, was Ihnen neben dem Gehalt wichtig ist. Wie gehen Sie mit Ablehnung um? Und: Die Argumentation darf ausschließlich auf der eigenen Leistung und dem Mehrwert, den man dem Unternehmen bringt, beruhen, nicht auf den persönlichen Lebensumständen.