Das Kind kennt die Lösung: Aufräumroboter. In einem Buch hat es gesehen, dass das die Zukunft sei – Künstliche Intelligenzen, die uns im Alltag unterstützen. Gar keine schlechte Idee, denke ich, und beschließe, ab sofort nichts mehr selbst zu machen. KI übernimmt meinen Job und ich kann mich endlich um das Wichtigste kümmern: mich selbst. Als das Kind am nächsten Morgen zur Schule läuft, lege ich mir Gurkenscheiben auf die Augen und bitte ChatGPT, eine Kurzbiografie über mich für meine Website zu schreiben. Die KI macht mich jünger (gut!) und bezeichnet mich als große Entertainerin, von der noch viel zu erwarten sei (wow!). Übernehme ich, danke.
Dann rufe ich meine Agentin an: „Gibt’s was Neues?“ „Nein, wieso?“ „ChatGPT sagt, man könne noch viel von mir erwarten!“ „Vielleicht meint es den Moderationstext, der heute fertig werden muss.“ Huch! Aber dann grinse ich – null problemo. „ChatGPT, schreibe eine unterhaltsame Anmoderation zum Thema Lehrermangel!“ „Bitte versuchen Sie es später erneut!“ Aha. „Prokrastinieren kann ich selbst!“, meckere ich.
Ein paar Stunden danach – ich liege auf der Couch und lasse mir ein Hörbuch vorlesen – kommen Mann und Kind nach Hause. „Kannst du einkaufen gehen, dann fahren wir zwei zum Sport?“, fragt der Mann höflich. „Bitte versuchen Sie es später erneut“, antworte ich. Er schaut verwirrt. „Ich brauche eine unterhaltsame Anmoderation zum Thema Lehrermangel“, stöhne ich. „Frag doch CHatGPT“, schlägt das Kind vor. „Rate mal, was ich versucht habe … Woher kennst du CHatGPT?“, frage nun ich verwirrt. „Ich sollte was über Frühblüher in der Schule erzählen und da habe ich den Computer gefragt.“ Der Mann schaltet sich beleidigt ein: „Entschuldigt mal, ich bin Lehrer und unterrichte Bio – ihr könnt beide mich fragen.“ „Ja, aber du redest immer zu lange, Papa.“ Ich nicke bestätigend. „Also, Mama, bei mir war’s super, probiere es einfach noch mal!“ Es tätschelt mir den Kopf. Zu Hause herrscht kein Mangel an Besserwisserei, denke ich. Ich setze mich an den Schreibtisch.
So, ChatGPT“, sage ich zum Laptop, „versuchen wir es erneut.“ Auf dem Bildschirm tanzen drei Punkte und dann spuckt das Programm eine Anmoderation aus, die mir Angst macht. Weil sie so gut ist: „Willkommen meine Damen und Herren zu einer neuen Folge von ‚Lehrermangel – die unendliche Geschichte‘. Heute nehmen wir Sie mit auf eine wilde Achterbahnfahrt durch die Welt des Bildungssystems, wo Lehrer seltener sind als Einhörner und Schüler sich fragen, ob sie ihren Matheunterricht nicht auch von Alexa bekommen könnten.“
Kein Wunder, dass das Kind mit seinem „Wissen“ über Frühblüher in der Schule glänzen konnte. Ich übernehme den Moderationsvorschlag wortwörtlich. Dann frage ich ChatGPT, ob es an meiner Stelle früh aufstehen und den Job komplett übernehmen kann: „Bitte versuchen Sie es später erneut!“ Hätte ich mir denken können.
Ninia LaGrande
Die kleinwüchsige Moderatorin, Autorin und Podcasterin lebt mit Mann und Kind in Hannover. Mit ihrer Arbeit setzt sie sich auch für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein.
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