Alles, was gut schmeckt, ist entweder ungesund oder macht dick. Was tun Sie, wenn jemand mit dieser Einstellung in Ihre Reha-Klinik kommt?
Christian Toellner: Wir fragen die Patienten immer zuerst, ob eine Veränderungsbereitschaft vorhanden ist. Nur wenn die Antwort Ja ist – und sei es auch nur ein „kleines“ Ja –, kann man auch etwas erreichen. Ist ein Patient nicht dazu in der Lage, weil er beispielsweise mit anderen Problemen so belastet ist, dass er keine Ressourcen dafür hat, akzeptieren wir das natürlich.
Was sind aus Ihrer Erfahrung die häufigsten Ernährungsfehler?
Das unregelmäßige Essen, denn wir hören immer wieder, dass die Betroffenen tagsüber sehr wenig und unregelmäßig essen und dann abends alles kompensieren.
Warum ist unregelmäßiges Essen ungesund?
Die Gefahr ist groß, dass man in eine Heißhungerphase kommt und dann entweder viel größere Portionen zu sich nimmt als sonst oder Dinge isst, auf die man sonst ganz bewusst verzichtet. Wer den ganzen Tag kaum etwas gegessen hat, geht abends typischerweise dauernd an den Kühlschrank. Die Patienten empfinden es deshalb oft als sehr angenehm, hier drei regelmäßige Mahlzeiten zu haben. Außerdem essen viele Menschen einfach zu viel zwischendurch und halten keine Essenspausen ein. Wenn man ständig etwas isst, ist der Insulinspiegel im Durchschnitt höher und das fördert die Gewichtszunahme.
Beobachten Sie noch andere häufige Ernährungsfehler?
Zu große Portionen kommen häufig vor, insbesondere bei übergewichtigen Patienten. Dann natürlich unausgewogene Mahlzeiten, die kaum sättigen, weil sie beispielsweise viel Zucker und Fett und zu wenig Ballaststoffe enthalten. Klassischerweise ist das Fast Food oder der Nudelteller ohne Salat oder Gemüse. Das kann auf Dauer auch zu einer Fettleber oder hohen Blutfetten führen – und zwar durchaus auch bei schlanken Menschen.
Christian Toellner
ist Ökotrophologe in der Frankenland-Klinik, einer Reha-Einrichtung der Deutschen Rentenversicherung.
Ist Übergewicht die Hauptursache für Gesundheitsprobleme oder ist das ein Vorurteil?
Es ist kein Vorurteil. Das Risiko für Bluthochdruck, eine Fettleber oder einen Herzinfarkt ist bei Übergewicht deutlich höher. Aber das Gewicht ist natürlich nicht alles. Ein übergewichtiger Mensch, der sich regelmäßig bewegt und sich ausgewogen ernährt, ist nicht unbedingt gesundheitlich schlechter gestelltals ein schlanker Mensch, der sich kaum bewegt und ständig Fast Food isst.
Sie haben in der Reha-Klinik drei bis vier Wochen Zeit, um mit Patienten zum Thema Ernährung zu arbeiten. Wo setzen Sie an?
Wir weisen jeden Patienten individuell am Buffet ein. Jede Speise ist mit Fettpunkten, Kohlenhydraten und der Energiedichte gekennzeichnet. Auf diese Weise kann sich jeder Patient seine Mahlzeit eigenständig zusammenstellen. Das überzeugendste Argument für eine ausgewogene Ernährung ist natürlich das Essen in der Klinik selbst. Wenn es gut schmeckt, dann kann auch in kurzer Zeit ein Umdenken einsetzen.
Sie haben in Ihrer Klinik auch eine Lehrküche. Was lernt man dort?
Das, was in den Vorträgen zum Thema Ernährung erklärt wurde, können unsere Rehabilitanden ganz konkret ausprobieren. Viele merken dann schnell, dass es gar nicht so schwer ist, gesund zu kochen. Wir geben viele Tipps, zum Beispiel, dass man beim Kochen fettarme Kondensmilch statt Sahne verwenden kann oder mit einem Kontaktgrill Essen sehr fettarm zubereitet werden kann. Wir bieten außerdem verschiedene Themenfelder an. Zum Beispiel: Was ich mir schnell und alltagstauglich für die Arbeit zubereiten? Man kann sich auch für ein Einkaufstraining anmelden, um die Angaben auf den Packungen besser zu verstehen. Das kommt auch sehr gut an.
Diabetes gilt heute als Volkskrankheit. Wie können Betroffene bei der Ernährung gegensteuern?
Regelmäßige Mahlzeiten sind auch bei Menschen mit Diabetes ratsam. Außerdem ist es wichtig, dass der Blutzucker langsam steigt, zum Beispiel in dem man Obst mit Eiweiß oder Fett isst – also beispielsweise mit Quark. Der Magen hält eiweißreiche oder fetthaltige Nahrung länger zurück und damit auch die darin enthaltenen Kohlenhydrate. Auch wenn man Salat vor der Hauptmahlzeit isst, kann man einen langsamen Anstieg des Blutzuckers erreichen.
Was ist Ihr persönliches Lieblingsessen?
Linsen mit Spätzle und Saitenwürstchen – und zwar von meiner Mutter zubereitet.
Weitere Informationen:
drv-reha.de