Schauen, tippen, klicken, schieben, ziehen – Kinder, die einmal am Digitalgerät sind, können häufig schwer wieder aufhören.
Schauen, tippen, klicken, schieben, ziehen – Kinder, die einmal am Digitalgerät sind, können häufig schwer wieder aufhören.



Mit MeKi gegen Mediensucht

Angehörige der sogenannten Generation Z haben einen intuitiven Umgang mit digitalen Medien und sind Älteren in diesem Bereich häufig überlegen. Auf der anderen Seite geht damit auch ein höheres Risiko für eine pathologische Nutzung von Medien und die Entwicklung von Abhängigkeiten einher. Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV KBS) hat vor diesem Hintergrund gemeinsam mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin das Modellvorhaben MeKi ins Leben gerufen, kurz für „Medienabhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen – Entwicklung, Pilotierung und Evaluation eines nachhaltigen, integrativen Rehabilitationskonzepts“.

Nicht zuletzt durch die Covid-Pandemie wird aktuell eine steigende Anzahl Kinder und Jugendlicher mit medienbezogenen Störungen beobachtet. Laut einer Studie der Krankenkasse DAK Gesundheit und dem Hamburger UKE lag zwischen 2019 und 2021 bei mehr als vier Prozent der deutschen 10- bis 17-Jährigen ein pathologisches Nutzungsverhalten vor. „Mit fortschreitender Digitalisierung und den sich dadurch verändernden Lebensstilen ist zu befürchten, dass die Quote noch steigen wird“, erklärt Dr. Judith Stumm vom Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité. Hier wurde die Projektidee entwickelt sowie das Modellvorhaben wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

„Die negativen Folgen einer Medienabhängigkeit erstrecken sich über mehrere Lebensbereiche wie Gesundheit, Leistungsfähigkeit und soziale Kontakte“, so Stumm. Mit Problemen in der gesellschaftlichen Teilhabe und steigenden sozialen Kosten sei folglich zu rechnen.

Bisher gibt es für betroffene Kinder und Jugendliche vorwiegend akutstationäre Angebote, jedoch noch keine stationären Rehabilitationsangebote. Diese würden aber das „optimale Setting“ für die Therapie dieser Zielgruppe bilden, davon ist Judith Stumm überzeugt.

„Die stationäre Reha wäre das optimale Setting für eine Therapie.“

Dr. Judith Stumm, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité.

Zielgruppe wird eingebunden

Hier setzt das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen des Bundesprogramms rehapro geförderte Modellvorhaben an. MeKi umfasst ein stationäres Reha-Konzept sowie eine anschließende Nachsorge. Die Konzeptentwicklung erfolgt partizipativ. Das heißt, dass neben Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten auch betroffene Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern als Expertinnen und Experten für ihre eigene Lebenssituation eingebunden werden. Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Leistungen und Angebote besser angenommen werden und auch erfolgreicher sind, wenn die Zielgruppe bei der Entwicklung der Leistung eingebunden wird. Im Anschluss soll das so erarbeitete Konzept in der kooperierenden Klinik erprobt werden. Innerhalb von  anderthalb Jahren sollen etwa 80 Kinder und Jugendliche das Konzept durchlaufen.

Eine große Rolle bei Medienabhängigkeit spielen die Eltern und das soziale Umfeld, denn Kinder haben je nach Alter einen unterschiedlich großen Einfluss auf die Gestaltung ihres Alltags. Deshalb sollen auch die Eltern im Rahmen des Reha-Konzeptes eingebunden werden. Die Programmelemente stehen zum jetzigen Zeitpunkt zwar noch nicht fest, jedoch sind entsprechende indikationsspezifische Schulungen im Online-Format denkbar.

Um den Erfolg der Reha-Leistung zu sichern, wird den Teilnehmenden auch eine an die Reha anschließende Nachsorgeleistung angeboten. Da vermutlich Kinder und Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet an der stationären Reha teilnehmen werden, bedarf es auch eines dezentralen Nachsorgeangebotes, das in den Alltag integrierbar ist und parallel zu Schule und Ausbildung wahrgenommen werden kann. Hier ist aktuell eine videogestützte Nachsorge vorgesehen. So können die Kinder und Jugendlichen gleich einen gesunden Umgang mit Medien im Alltag nach der Reha einüben, denn anders als bei zum Beispiel Alkoholabhängigkeit ist eine vollständige Abstinenz nicht das Ziel und in unserer heutigen digitalen Welt nicht praktikabel.

Neben der Schaffung eines stationären Rehabilitationsangebotes ist es aus Sicht der DRV KBS und der Charité aber auch wichtig, Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte für das Thema  Medienabhängigkeit zu sensibilisieren, damit sie entsprechende Präventions- oder Rehabilitationsangebote empfehlen können. „Das machen wir gemeinsam mit zwölf weiteren Rentenversicherungsträgern, die das Modellvorhaben MeKi als Kooperationspartner unterstützen. An der großen Beteiligung können Sie auch sehen, welche Bedeutung das Thema Medienabhängigkeit hat und welchen Bedarf es im Bereich Rehabilitation gibt“, führt Detlef Schmidt, stellvertretender Abteilungsleiter „Rehabilitation“ der DRV KBS aus. „Wir sind stolz, hier ein neues Angebot für die wichtige Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen zu entwickeln.“