Herzensangelegenheit:
Menschen, die sich ehrenamtlich für die Selbstverwaltung engagieren, etwa als
Versichertenberater oder in
Widerspruchsausschüssen.
Herzensangelegenheit: Menschen, die sich ehrenamtlich für die Selbstverwaltung engagieren, etwa als Versichertenberater oder in Widerspruchsausschüssen.



Warum die Sozialwahl wichtig ist

Reinhard Fast streicht jeden Freitag einen ganz besonderen Lohn ein: „Ich sehe den Dank in den Augen der Versicherten, das ist wie der Applaus für einen Künstler: Auf einmal fühlst du dich zwei Zentimeter größer.“ Immer freitags arbeitet der 68-Jährige als ehrenamtlicher Versichertenberater der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) in der Gemeinde Wettstetten nahe Ingolstadt. Dann unterstützt er andere Versicherte dabei, ihre Anträge auf die Rente auszufüllen. Reinhard Fast ist selbst Rentner und hat zwei künstliche Hüftgelenke, früher arbeitete er als Gesundheitsberater bei einer Krankenkasse. „Und meine Frau ist meine Sekretärin“, erklärt Fast, „ohne sie wäre das alles gar nicht machbar.“

Reinhard Fast, den man im Ort auch durch sein Engagement im Jugendsport kennt, ist einer der rund 2.600 ehrenamtlichen Versichertenberaterinnen und Versichertenberater der Deutschen Rentenversicherung Bund. Grundsätzlich können sich alle Versicherten für dieses Ehrenamt bewerben, „einen gewissen Hintergrund sollte man aber schon mit bringen“, rät Fast. Zudem werden die Versichertenberater aber auch regelmäßig geschult, um immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben.

Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich in der Selbstverwaltung, unter anderem als Versichertenberater oder in Widerspruchsausschüssen. So unterstützen beispielsweise die Versichertenberater direkt in der Nachbarschaft. Mehr als 200.000 Rentenanträge nehmen Fast und seine Kolleginnen und Kollegen von der DRV Bund jährlich auf, telefonisch oder persönlich, in einigen Fällen auch direkt beim Versicherten zu Hause.

Reinhard Fast hat dazu sein eigenes Büro. Schon in den 1990er-Jahren reduzierte er seine Arbeitszeit auf vier Tage, um freitags Versicherte zu beraten. Die Aufgabe hatte er 1980 von seinem Vorgänger als Krankenkassen-Geschäftsstellenleiter in Eichstätt übernommen. „Die Nachfrage war so groß, da war mir der Lohnverzicht egal“, sagt Fast. Inzwischen hat er mehr Zeit, auch für seinen Enkel. Aufgeben will er das Ehrenamt noch nicht: „Zehn Jahre will ich das noch machen, wenn man mich dazu wählt.“

Sorgen nehmen, Sicherheit geben

Auch Anja Götz kandidiert dieses Mal wieder für den Großraum Leipzig als Versichertenberaterin und hofft, vom Sozialparlament wiedergewählt zu werden. Sie hat sich ebenfalls zu Hause ein Büro eingerichtet und nimmt sich jede Woche einen Tag dafür frei, Versicherte unabhängig und kostenlos zu unterstützen – und das nun schon seit fast 24 Jahren.

„Versichertenberater gibt’s nie genug“, sagt die 52-Jährige. Anfangs beriet sie nur Versicherte einer Krankenkasse, inzwischen gehört sie zu mehreren Beratern, die man auf der Website der Deutschen Rentenversicherung für Leipzig findet.

„Diese Arbeit macht einfach sehr viel Spaß“, betont Götz, „ich treffe immer auf neue, freundliche Leute, die sehr dankbar sind.“ Infolge der Corona-Pandemie verlagerte sich die Beratung zwar stark auf das Telefon, inzwischen staunen die Versicherten aber schon wieder darüber, dass Anja Götz sogar regelmäßig Hausbesuche anbietet – gerade für Kranke und Ältere ein Segen.

„Die Aufgabe gibt mir sehr viel, sie erdet mich“, beschreibt Götz ihren Umgang mit den menschlichen Schicksalen, die hinter manchen Anträgen auf Waisen- oder Erwerbsminderungsrenten stehen: „Wenn Versicherte beispielsweise Kinder hinterlassen, brauchen diese einfach Hilfe.“ Dann sei sie vor Ort, um ihnen ein paar Sorgen zu nehmen und etwas Sicherheit zu geben.

„Wir sind die letzte Stufe vor den Sozialgerichten.“

Andreas Suchner,
ehrenamtliches Mitglied in einem Widerspruchsausschuss der Deutschen Rentenversicherung Bund

Auch für Reha: Sozialwahl stärkt Selbstverwaltung

Klar ist: Die Selbstverwaltung wird durch die Sozialwahl gestärkt und kann sich so besser für die Interessen der Versicherten und Rentner einsetzen. Die Selbstverwaltung legt unter anderem auch in der Rehabilitation Umfang und Ziele der Leistungen fest. Was damit im Einzelfall für Versicherte erreicht werden kann, haben wir exemplarisch anhand von drei Beispielen auf der folgenden Seite zusammengetragen (siehe Kasten: „Was die Selbstverwaltung für Versicherte konkret leistet“). „Wir machen uns stark für die Versicherten“, sagt auch Versichertenberaterin Götz. Das gelte nicht nur für die Versichertenberater, sondern auch für die Vertreter in den Widerspruchsausschüssen der Sozialversicherung, unterstreicht Götz.

Einer dieser Vertreter ist Andreas Suchner aus Hünstetten im Taunus. Wenn man ihn fragt, wie lange er schon im Widerspruchsausschuss der DRV Bund in Frankfurt am Main sitzt, muss er erst mal nachsehen – 30 Jahre werden es jetzt. Seine Zeit als hauptberuflicher Berater bei der Rentenversicherung in Berlin hatte der heute 63-Jährige da schon hinter sich, denn in jungen Jahren war er danach zu einem Kreditinstitut gegangen, wo Suchner sich um die betriebliche Altersvorsorge kümmerte.

Um thematisch am Ball zu bleiben, schließt er sich einem Arbeitskreis Rentenversicherung an, wo man den Prokuristen bald ermuntert, sich bei der Sozialwahl arbeitgeberseitig für einen Widerspruchsausschuss aufstellen zu lassen, mit dem er monatlich tagt.

Die Ausschüsse sind gefragt, wenn Versicherte mit einer Entscheidung der Verwaltung nicht einverstanden sind. Jeder Ausschuss ist mit zwei ehrenamtlichen Mitgliedern aus dem Kreis der Selbstverwaltung und einer hauptamtlichen Vertretung besetzt. In den 256 bundesweiten Widerspruchsausschüssen wurden von der DRV Bund im Jahr 2021 rund 45.000 Widersprüche verhandelt und entschieden.

Ehrenamtler entscheiden

„Wir sind im Ausschuss zu dritt“, berichtet Suchner. „Wir sind die letzte Stufe vor den Sozialgerichten.“

Dabei ließen sich viele Widersprüche auch vermeiden. Häufig liegt es an fehlenden Unterlagen, deswegen ist zum Beispiel für die Rente ein vollständiger Versicherungsverlauf so wichtig. Und was in den Ausschüssen immer wieder deutlich wird: Hinter jedem Antrag steckt „Wir sind die letzte Stufe vor den Sozialgerichten.“ Andreas Suchner, ehrenamtliches Mitglied in einem Widerspruchsausschuss der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Mensch. Andreas Suchner jedenfalls will sich auch als Rentner wieder aufstellen lassen, weil ihn das Prinzip der Selbstverwaltung überzeugt.

Damit geht es ihm wie Reinhard Fast, dem Versichertenberater aus Oberbayern. Der gibt Menschen, die zurzeit ihre Wahlbriefe im Briefkasten finden, eine klare Ansage mit: „Macht alle euer Kreuz bei der Sozialwahl. Für eine starke Gemeinschaft.“

Rehabilitation: Was die Selbstverwaltung für Versicherte konkret leistet

Edith Weller, 60 Jahre
Sekretärin, Berlin
Kinder- und Jugendreha in Bad Oeynhausen:
Edith Wellers Sohn wurde kurz vor der Wende mit einem Herzfehler geboren. Die Ärzte gaben ihm damals nur wenige Jahre. Nach dem Mauerfall fand sie einen Kinderkardiologen in Berlin, der ihren Sohn, der heute 33 Jahre alt ist, zweimal operierte. Es folgten drei Kinder-Rehas in Bad Oeynhausen, die ihren Sohn auf das Leben vorbereiteten. Über den Ablauf und den Rahmen von Rehabilitationen entscheidet das Sozialparlament der DRV Bund. Bei der Kinderrehabilitation der Rentenversicherung hat die Selbstverwaltung zuletzt dafür gesorgt, dass Eltern ihre Kinder bis zwölf Jahre in die Klinik begleiten können. Außerdem hat sie die ambulante Kinder-Reha eingeführt, die Eltern die Organisation erleichtert.

Stefan Büttgenbach, 44 Jahre
Wohnmobilhändler, Frechen
Post-COVID-Reha auf Föhr:
Stefan Büttgenbach erkrankte früh und schwer an COVID und lag mehrere Tage auf der Intensivstation. Auf die akute Erkrankung folgte dann auch noch Post-COVID. Seine Lunge arbeitete nur noch sehr eingeschränkt. Er hörte von der Möglichkeit, über die DRV Bund eine Post-COVID-Reha zu machen, stellte einen Antrag und fuhr bald darauf für sechs Wochen nach Föhr und lernte an der Nordsee das Atmen neu. Die Selbstverwaltung hat sehr schnell auf die Corona-Pandemie reagiert und eine Post-COVID-Reha eingeführt, die die Menschen wieder fit für den Alltag und das Erwerbsleben macht. „Nach meiner COVID-19-Erkrankung ging es mit der Reha zurück in die Normalität“, sagt Büttgenbach heute.

Anke Nieß, 48 Jahre
Gelernte Krankenschwester, Laupheim
Reha und eingereichter Widerspruch:
Anke Nieß erkrankte letztes Jahr schwer an Corona. Atemprobleme machten ihr zu schaffen, doch das eigentliche Problem waren neuronale Störungen, Brain Fog, auch Gehirnnebel genannt. Das ist ein Phänomen, das Betroffenen jegliche Konzentration und den Blick aufs Wesentliche raubt. Sie konnte nicht mehr richtig sprechen, als Assistentin für klinische Studien vergaß sie die für den Beruf so wichtige Fremdsprache Englisch vollständig und litt unter Koordinationsstörungen. Sie machte eine erste Reha, die ihr bereits gut geholfen hatte. Auf Anraten der Ärzte beantragte Anke Nieß eine zweite Reha, die ihr mithilfe des Widerspruchsausschusses genehmigt wurde.

 

INFO

Was ist die Sozialwahl?

Die Sozialwahl findet alle sechs Jahre statt: Bis zum 31. Mai werden die Sozialparlamente bei den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern gewählt. Wählen lohnt sich: Rund 30 Millionen Versicherte, Rentnerinnen und Rentner der Deutschen Rentenversicherung Bund können dabei per Briefwahl mitbestimmen, wer sie in den nächsten sechs Jahren in der Vertreterversammlung vertritt. Eine hohe Beteiligung gibt den gewählten Frauen und Männern Rückenwind, sich effektiv für Beitragszahler und Rentner einzusetzen.

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www.sozialwahl.de