Gesundheit checken und frühzeitig handeln

Frau Jüngling, welches Ziel verfolgt das Projekt Ü45-Check? Die ersten Zipperlein wie Rückenschmerzen, leichtes Übergewicht, Stress- oder Schlafprobleme stellen sich bei unseren Versicherten meist schon ein, wenn diese noch in der Mitte ihres Erwerbslebens stehen. Gerade an diesem Punkt wäre es wichtig, gezielte Präventionsleistungen in Anspruch zu nehmen. Aber stattdessen nehmen Betroffene diese ersten Warnzeichen des Körpers oft nicht ernst. Viele schleppen sich mit ihren Beschwerden weiter durch den Alltag und handeln erst, wenn es fünf vor zwölf ist. Dabei könnte so manche Erwerbsminderungsrente verhindert werden, wenn zuvor Präventions- und Reha-Leistungen in Anspruch genommen worden wären.

Hier setzt das Modellprojekt Ü45-Check an? Richtig. Im Zeitraum Juli 2020 bis November 2021 hat die DRV Bayern Süd in zwei Modellregionen insgesamt 10.500 Versicherte angeschrieben und ihnen einen Gutschein für einen kostenlosen berufsbezogenen Gesundheits-Check angeboten. Die angeschriebenen Versicherten mussten nichts weiter tun, als dieses Angebot anzunehmen und einen Termin zu vereinbaren. Mithilfe des Check-up erfuhren sie dann, wie es aktuell um ihre Gesundheit steht und was sie tun können, um in Problembereichen aktiv gegenzusteuern. Wir sind überzeugt, dass wir durch dieses proaktive Handeln viele Versicherte motivieren können, sich mit ihrer Gesundheit zu befassen – und zwar nicht erst, wenn es vielleicht schon zu spät ist.

Welche Modellregionen wurden für das Projekt ausgewählt? Modellregion eins war die Stadt Ingolstadt mit den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen, Eichstätt und Pfaffenhofen. Modellregion zwei war das Bayerische Oberland mit Bernried und den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen, Weilheim-Schongau, Bad Tölz-Wolfratshausen, Starnberg und dem südlichen Landkreis Landsberg.

Wer kam für die Teilnahme am Modellprojekt infrage? Es war uns bei der Auswahl der Stichprobe wichtig, dass die Versicherten in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, noch keine Reha oder Rentenleistung in Anspruch genommen hatten und in die Altersgruppe 45. bis 59. Lebensjahr fielen. Außerdem musste der Wohnsitz in einer der beiden Modellregionen liegen.

Wie genau lief der kostenlose Gesundheits-Check ab, den die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Anspruch nehmen konnten? Zunächst füllten die Teilnehmer einen umfangreichen Fragebogen zu ihrem allgemeinen Gesundheitszustand aus. Abgefragt wurden Risikofaktoren, Vorerkrankungen und bereits aufgetretene Beschwerden. Außerdem wurden Fragen zur psychischen Gesundheit, zur Erwerbsfähigkeit sowie zu Ernährungs- und Sportgewohnheiten gestellt. Der Check selbst dauerte 90 Minuten. Er beinhaltete eine Anamnese, die Erfassung von Größe, Gewicht, Taillenumfang, Puls, Blutdruck und BMI sowie eine allgemeine ärztliche Untersuchung, eine orthopädische Untersuchung und einen fünfstufigen Krafttest. Es wurde auch auf Belastungen am Arbeitsplatz und mögliche gesundheitliche Einschränkungen bei der Arbeit eingegangen. Im Anschluss erfuhren die Versicherten, ob sie ihr Gesundheitspotenzial voll entfalten oder wo gesundheitliche Problembereiche liegen, für deren Behandlung eine Präventions- oder Rehabilitationsleistung sinnvoll wäre. Wenn sich ein Präventions- oder Reha-Bedarf abzeichnete, erhielten die Teilnehmer gleich vor Ort Hilfestellungen zur Antragstellung.

„Viele Teilnehmer fanden es toll, dass die Rentenversicherung mit der Initiative frühzeitig in die Gesundheit ihrer Versicherten investiert.“

Karin Jüngling,
Bereichsleiterin in der Abteilung Rehabilitation und Sozialmedizin in München

Sind Sie mit den Ergebnissen des Modellprojekts zufrieden? Wir sind sehr zufrieden. Unser Modellprojekt konnte bestätigen, dass das Angebot eines kostenlosen Gesundheits-Checks ein wichtiges Instrument darstellt, um frühzeitig einen Präventions- oder auch Reha-Bedarf festzustellen. Lediglich 9,6 Prozent aller Versicherten, die aufgrund unseres Modellprojekts am Gesundheits-Check teilnahmen, verfügten über einen so guten Gesundheitszustand, dass kein weiterer Handlungsbedarf bestand. Bei 75,2 Prozent ergab sich, dass bereits erste gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen und eine Präventionsleistung sinnvoll wäre. Bei 15,1Prozent der Teilnehmer wurde sogar ein Reha-Bedarf diagnostiziert. Ich bin sicher, dass ohne unser proaktives Angebot an die Versicherten der beiden Modellregionen vieles davon noch längere Zeit unbehandelt geblieben wäre. Auch die Teilnehmer selbst äußerten sich in der Nachbefragung positiv über das Gutscheinangebot. Viele fanden es toll, dass die Rentenversicherung mit der Initiative frühzeitig in die Gesundheit ihrer Versicherten investiert.

Wird es das Angebot eines kostenlosen Gesundheits-Checks ab dem 45. Lebensjahr bundesweit geben? Das Verfahren war bislang erst einmal ein Testlauf. Modellprojekte wie dieses werden auch bei sieben weiteren Rentenversicherungsträgern durchgeführt. Erst wenn alle diese Daten und Erfahrungen ausgewertet sind, kann die DRV Bund auf der Grundlage der Ergebnisse die Politik beratend informieren. Die Entscheidung, ob es das Angebot eines kostenlosen Gesundheits-Checks in Form einer Regelversorgung bald bundesweit geben wird, liegt letztlich in der Hand der Politik.

 

Informationen zum kostenlosen Präventionsprogramm der Deutschen Rentenversicherung „RVFit“ gibt es unter: www.rv-fit.de