Frau Dr. Barth, kann Schokolade süchtig machen?
Dr. Kerstin Barth: Da scheiden sich die Geister. Es gilt zumindest als erwiesen, dass der süße Geschmack das Belohnungszentrum des Gehirns aktiviert.
Wann wird aus Genuss Sucht?
Anlässe für den Konsum von möglichen Suchtmitteln wie zum Beispiel Alkohol gibt es ja hierzulande zur Genüge. Ein Substanzkonsum ist zunächst einmal nicht gleichzusetzen mit einer Abhängigkeit. Aus gelegentlichem Genuss kann sich jedoch ein problematischer Konsum entwickeln. Dies gilt nicht nur für alkoholische Getränke. Grenzen zwischen einem unkritischen Verhalten und der Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung, allgemein oft als Sucht bezeichnet, sind oft fließend.
Was sind Anzeichen für einen problematischen Konsum?
Es existieren unterschiedliche Definitionen für die Diagnose einer Suchterkrankung. Anzeichen für eine vorliegende Abhängigkeitsproblematik kann beispielsweise sein, wenn jemand dem Verlangen zum Konsum nur schwer standhalten kann und die Kontrolle darüber verliert. Auch die Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Konsums ist als Alarmzeichen zu werten.
Haben Sie Zahlen zum Alkoholkonsumverhalten in Deutschland?
Nach bevölkerungsrepräsentativen Umfrageergebnissen wiesen etwa im Jahr 2021 rund acht Millionen der 18- bis 64-Jährigen in Deutschland einen gesundheitlich riskanten Alkoholkonsum auf. Im Jahr 2016 waren allein über 60.000 Todesfälle ausschließlich durch eine auf Alkohol zurückzuführende Ursache begründet.
Welche Wege führen aus der Abhängigkeit?
Hat sich eine Abhängigkeitserkrankung erst einmal entwickelt, ist es schwer, ohne Unterstützung eine dauerhafte Abstinenz zu erreichen. Erste Anlaufstellen zur Unterstützung Betroffener und Angehöriger können Haus-, Betriebs- oder Fachärztinnen und -ärzte, Sozialdienste, Selbsthilfegruppen oder Suchtberatungsstellen sein. Letztere bieten eine unverbindliche Beratung an, auf Wunsch anonym und unter Einbeziehung nahestehender Personen. Ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Suchtmittelfreiheit ist auch die medizinische Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen, sprich Entwöhnungsbehandlung – unter anderem eine Leistung der Deutschen Rentenversicherung.
„Die medizinische Rehabilitation ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Suchtmittelfreiheit.“
Dr. Kerstin Barth,
Sozialmedizinischer Dienst Deutsche Rentenversicherung Hessen
Was passiert bei einer solchen Rehabilitation? Was sind die Ziele?
Die Rehabilitation unterstützt Betroffene dabei, körperliche und seelische Störungen zu behandeln, eine dauerhafte Abstinenz zu erreichen, eine Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft zu ermöglichen sowie die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Um dies zu erreichen, wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, welcher nicht nur auf medizinischer und psychologischer Ebene ansetzt. Sport-, Kreativ- sowie arbeits-, ergo- und sozialtherapeutische Angebote tragen ebenso zum Erfolg der Rehabilitation bei. Bei Bedarf können zudem verschiedene Berufsbilder in internen und externen Praktika erprobt werden.
Wie können Betroffene eine Reha beantragen?
Die Entwöhnungsbehandlung kann sowohl aus dem ambulanten Bereich als auch im sogenannten Nahtlosverfahren unmittelbar im Anschluss an eine Entgiftungsbehandlung in der Klinik angetreten werden. Suchtberatungsstellen oder Krankenhaussozialdienste unterstützen bei Vorbereitung und Antragstellung. Sie erstellen einen für den Rehabilitationsantrag erforderlichen Sozialbericht. Darüber hinaus wird ein Befundbericht der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes benötigt.
Welche Arten von Rehabilitation gibt es?
Wir unterscheiden zwischen stationärer, ganztägig ambulanter und ambulanter Rehabilitation.
Was sind die Unterschiede?
Bei der stationären Behandlung bleiben Betroffene über mehrere Wochen in einer Rehabilitationseinrichtung. Der Therapieablauf einer ganztägig ambulanten Rehabilitation entspricht im Wesentlichen dem eines stationären Aufenthalts, ermöglicht aber, täglich nach Therapieende ins familiäre Umfeld zurückzukehren. Voraussetzung dafür ist jedoch eine ausreichende Abstinenzfähigkeit und soziale Stabilität. Eine ambulante Rehabilitation eignet sich insbesondere für Versicherte mit bestehendem Arbeitsplatz und einem stabilen sozialen Umfeld. Die Behandlung findet in der Regel berufsbegleitend in den Nachmittags- und Abendstunden statt. Auch Kombinationen aus stationärem und ambulantem Angebot sind möglich.
Können sich Versicherte die Reha-Einrichtung selbst aussuchen?
Sowohl der Deutschen Rentenversicherung Hessen als auch den Rehabilitationseinrichtungen ist es ein wichtiges Anliegen, die individuellen Bedürfnisse der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden zu berücksichtigen. Versicherte können sich im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechts ihre Wunscheinrichtung selbst aussuchen und diese im Antrag mitteilen. Sofern keine Gründe dagegensprechen, wird diesem Wunsch im Regelfall entsprochen.
Hessische Landesstelle für Suchtfragen:
www.hls-online.org
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen:
www.dhs.de
Zu Reha-Einrichtungen:
www.meine-rehabilitation.de und www.drv-reha.de