Ulrike Schumann bereitet die nächste Visite vor.
Ulrike Schumann bereitet die nächste Visite vor.



Ein Herz für die Lunge

Es ist früher Morgen in Bad Rothenfelde, einer Kleinstadt zwischen Bielefeld und Osnabrück. Die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die großen Fenster in der Eingangshalle der Rehaklinik Teutoburger Wald und begrüßt die Neuankömmlinge, die sich mit Koffern und Taschen eingefunden haben. Donnerstag ist Anreisetag. Am Empfang werden die ersten Fragen geklärt, anschließend reichen ihnen zwei Mitarbeiterinnen Getränke. Die Stimmung wirkt freundlich und entspannt, während im Hintergrund der Klinikbetrieb bereits auf
Hochtouren läuft.

Ulrike Schumann ist mit schnellen Schritten unterwegs. Die Oberärztin muss zu ihrem nächsten Termin. Als Pneumologin behandelt sie Menschen mit Erkrankungen der Atemwege, der Lunge und des Lungenkreislaufs. Eine genaue Diagnose ist die Voraussetzung für deren Therapie und Rehabilitation. „Normalerweise kommen die Rehabilitanden mit einem konkreten Untersuchungsbefund in die Reha, aber wir schauen selbst noch einmal bei der Eingangsuntersuchung genau hin. Manchmal ergeben sich dabei neue Aspekte“, erklärt sie. So können sich mehrere Krankheitsbilder gegenseitig negativ beeinflussen. Übergewicht kann zum Beispiel schlafbezogene Atmungsstörungen begünstigen. Außerdem wird das Lungengewebe durch die Mehrbelastung stark beansprucht. „Im schlimmsten Fall kann Kohlensäure nicht mehr vollständig ausgeatmet werden“, weiß die 48-Jährige.

Stimmen einen Therapieplan ab: Ulrike Schumann (rechts) im Gespräch mit Gesundheits- und Krankenpflegerin Nicole Pradel.

Übergewicht erschwert das Atmen

Was vielen nur als Zusatz in Mineralwasser oder Softdrinks bekannt ist, kann bei Übergewichtigen zu einem gesundheitlichen Problem werden. Kohlensäure fällt im menschlichen Körper als Abfallprodukt an und hat eine narkotisierende Wirkung. Die Folge: Betroffene sind häufig übermüdet und leiden unter morgendlichen Kopfschmerzen. Es kann sogar zum Ausfall der Atmung kommen. Ein Schlafapnoe-Screening kann Aufschluss über eine mögliche Erkrankung geben. Dabei werden die nächtlichen Atemgeräusche, Bewegungen des Brust- und Bauchraums, die Sauerstoffsättigung und die Körperlage registriert. Im Untersuchungszimmer begutachtet Ulrike Schumann die Auswertungen der letzten Nacht. 

„Wir haben eine Kooperation mit einem Schlaflabor. Einmal in der Woche schicken wir einen Patienten für weitere Untersuchungen hin.“ Bei wem eine Schlafapnoe, also eine schlafbezogene Atmungsstörung, diagnostiziert wird, dem kann mit einer Atemmaske geholfen werden.

Auf ihrem Weg durch die Rehaklinik ist sie immer ansprechbar, immer wachsam. Dem erschöpft aussehenden Rehabilitanden am Fahrstuhl schenkt sie ebenso ihre Aufmerksamkeit wie denjenigen, die den nächsten Therapie- Raum suchen. So ist sie von einem Moment zum anderen Ärztin, Wegweiserin, Zuhörerin und Beraterin – was gerade gebraucht wird. „Wir haben hier einen ‚kommunikativen Baustil‘“, bemerkt sie lachend. „Wer sich noch nicht auskennt, kann sich schnell verlaufen und kommt so zwangsläufig mit anderen ins Gespräch.“

Eine Rehabilitandin wartet im Visitenzimmer. Ulrike Schumann horcht ihre Lunge ab, misst den Puls und kontrolliert mit einem kleinen Messgerät am Finger den Sauerstoffgehalt im Blut der jungen Frau. Die Ergebnisse der Visite werden ihre weitere Therapie bestimmen. „Aufklärung und Schulungen sind ebenso wichtig wie die Diagnose. Je mehr der Patient versteht, umso mehr wird er mit der Medikation oder der Therapie einverstanden sein. Ich muss das mit ihm als Team machen.“

Die Pneumologin kontrolliert mit einem Messgerät den Sauerstoffgehalt im Blut einer Rehabilitandin.

Eine Reha ist ein Anfang

Ulrike Schumann ist die direkte Zusammenarbeit mit den Rehabilitanden wichtig. „Aber eine Reha ist nur eine Kick-off-Veranstaltung. Die Rehabilitanden müssen die Möglichkeit haben, viel auszuprobieren, um herauszufinden, was zu ihnen passt. Die Frage ist ja: Wie will ich in Zukunft leben?“

Diese Frage hat sich die Pneumologin selbst stellen müssen, als es darum ging, ob sie eine Familie gründet oder die Karriereleiter weiter aufsteigt. Sie hat zwei Kinder im Alter von neun und zehn Jahren, ist geschieden und alleinerziehend. „Ich bin die perfekte Quotenfrau“, stellt sie fest und nimmt sich selbst nicht zu ernst. „Zwischenzeitlich habe ich nur 16 Stunden in der Woche gearbeitet, um im Beruf zu bleiben, aber das war mir wichtig“, berichtet sie.

Es ist Nachmittag geworden. Der Klinikalltag ist noch in vollem Gange, die neuen Rehabilitanden sind versorgt. Ulrike Schumann bespricht noch ein paar organisatorische Dinge mit dem Pflegedienst, bevor es für sie an die Vorbereitung des nächsten Kliniktages geht. Sie arbeitet in Teilzeit – 30 Stunden wöchentlich. „Die Stundenzahl braucht man auch in oberärztlicher Funktion.“ Nachteile oder gar Einschränkungen durch die verringerte Arbeitszeit sieht Ulrike Schumann für sich nicht – ganz im Gegenteil. „Die Erfahrungen und Erlebnisse mit meinen Jungs kann mir niemand nehmen und ich möchte sie auch nicht missen.“