„Verbundenheit am Arbeitsplatz führt zu Glück“

 

Frau Mangelsdorf, was hat Sie während der Arbeit heute glücklich gemacht?
Das Team. Ein sehr glücksspendender Aspekt ist es, mit großartigen, engagierten Menschen zusammenzuarbeiten und daraus Kraft und Energie zu ziehen.

Ist es bei allen so, dass andere Menschen uns im Job glücklich machen?
Generell wissen wir, dass sowohl das Verhältnis zur Führungskraft als auch das zu anderen Mitarbeitenden ein ganz entscheidender Faktor für Arbeitszufriedenheit und Glückserleben ist. Wenn es nicht vorhanden ist, geht dies einher mit erhöhten Kündigungsabsichten – und das gilt tatsächlich für die absolute Mehrheit der Arbeitsplätze und Menschen, nicht nur für mich.

Wie kann man das eigentlich definieren und begrifflich fassen: Glück im Job?
Es gibt drei Wege, um sich so etwas wie Glück am Arbeitsplatz aus wissenschaftlicher Perspektive anzuschauen. Das erste ist das Erleben von Zufriedenheit  – das heißt die kognitive Bewertung des eigenen Arbeitsplatzes und des Arbeitsumfeldes. Das zweite ist die emotionale Bewertung der Arbeitssituation, also: Erlebe ich Momente des Glücks im Arbeitskontext, erlebe ich mehr positive Emotionen als negative?

Also so etwas wie Freude, Inspiration …
Genau, Emotionen wie Freude, Inspiration, aber auch die Emotion Liebe. Und das mag zunächst komisch klingen, aber wenn wir uns mit anderen Menschen verbunden fühlen, dann ist die dazugehörige Emotion tatsächlich Liebe. Wenn dieses regelmäßig auftaucht, also wenn wir das Gefühl von Verbundenheit häufiger haben am Arbeitsplatz, führt das auch zu Glück.

Und was ist bitte die dritte Perspektive?
Das Thema Erfüllung: Also habe ich das Gefühl, einer sinnvollen Arbeit nachzugehen und etwas zu tun, bei dem ich meine Stärken und Werte wirklich leben kann? Wenn ich dieses Gefühl von Erfüllung im Job erlebe, dann ist das auch eine Form von Glück.

 

„Ein sehr glücksspendender Aspekt ist es, mit großartigen, engagierten Menschen zusammenzuarbeiten.“

Judith Mangelsdorf

 

Arbeit ist dazu da, dass Dinge erledigt werden. Dass Menschen Geld verdienen, mit dem sie ihre Miete bezahlen oder in den Urlaub fahren können. Wen kümmert da Glück bei der Arbeit?
Menschen, die mit ihrer Arbeit auch Glücksgefühle verbinden, sind nicht nur besser gestimmt. Sie sind im Allgemeinen erfolgreicher und deutlich gesünder, sowohl physisch als auch psychisch. Sie sind auch finanziell erfolgreicher und kreativer. Ganz viele Aspekte werden von der Arbeit positiv befeuert in dem Moment, in dem wir Freude und Spaß an dem haben, was wir tun – und wenn Glück ein zumindest gelegentlicher Begleiter des laufenden Arbeitslebens ist.

Es gibt immer mehr Feelgood Manager – also Glücksbeauftragte in Unternehmen...
Es bringt wenig, wenn ich nur einen Spezialisten habe, der sich zwar auf individueller Ebene kümmert, aber Unternehmensstrukturen vorherrschen, bei denen zu hohe Anforderungen mit zu geringen Ressourcen einhergehen. Umgekehrt wäre ein Ansatz, der nur gute Strukturen schafft, aber die Menschen nicht mitnimmt, zu kurz gegriffen. Es braucht also beides: Fachkräfte und unterstützende Strukturen, wenn Unternehmen wirklich Gutes für die Mitarbeitenden bewirken wollen. 

Wenn ich meine Kollegen ein Stück glücklicher machen will – was tue ich und was lasse ich?
Es gibt Studien, die versucht haben, die Frage zu beantworten, was denn tatsächlich mehr Zugänge für Glück sind, zum Beispiel im Verhalten von Führungskräften. Ein wichtiger Aspekt ist stärkenorientierte Aufgabenverteilung. Sprich: Menschen zu befähigen, ihre persönlichen Kompetenzen in die Arbeit einzubringen. Und zwar deutlich mehr als die Frage: „Wie kann ich die Schwächen, die Mitarbeitende haben, abbauen?“ Ein weiterer Aspekt ist, für ein positives Miteinander zu sorgen, das heißt Momente der Begegnung zu ermöglichen, in denen wir auch jenseits des reinen Arbeitskontextes ein Mit- und Füreinander aufbauen können. Der nächste große Faktor ist das Thema Autonomie: Als Führungskraft habe ich immer die Möglichkeit, meinen Mitarbeitenden Verantwortung und Kontrolle zu übergeben. Das hat einen großen Einfluss darauf, wie glücklich sie im Arbeitsleben sind. Nur wenn man mir etwas zutraut und ich Verantwortung für mein Tun übernehmen kann, komme ich wirklich in Kontakt mit meiner Arbeit.

Sollten Unternehmen das Wohlbefinden der Beschäftigten messen und abfragen?
Natürlich ist das hilfreich. Aber wenn ich im unternehmerischen Kontext danach frage, ist damit auch eine Erwartungshaltung verbunden – sodass für die Mitarbeitenden auch konkrete Maßnahmen erfolgen müssen. Sonst tritt das Gegenteil des gewünschten Effektes ein.

Die Positive Psychologie und besonders die Glücksforschung im Arbeitsbereich ist noch ein junges Forschungsfeld. Welche Erkenntnisse suchen Sie in Zukunft?
Wir sollten einerseits noch viel genauer verstehen, wie wir den Einzelnen befähigen können, für so etwas wie mentale Gesundheit und Zufriedenheit im Job proaktiv Schritte zu unternehmen – und andererseits herausfinden, welche Strukturen diesen Prozess wirklich nachhaltig unterstützen. Die Forschung beschäftigt sich meist mit dem einen oder dem anderen Ansatz. Aber gerade im Zusammenspiel beider liegt das meiste Entwicklungspotenzial.

 

Judith Mangelsdorf
Die Berliner Psychologin ist Deutschlands erste Professorin für Positive Psychologie – das ist die Wissenschaft vom gelingenden Leben. Sie leitet den Masterstudiengang in Positiver Psychologie und Coaching an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport und ist Mitgründerin der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie. Sie hat über Resilienz und posttraumatisches Wachstum geforscht und für ihre Dissertation den Preis für die beste Promotion weltweit im Fach der Positiven Psychologie 2019 erhalten.