Praktikant, Schüler, 55 Jahre – das alles bin ich derzeit. Einer gesundheitlich schwierigen Zeit folgte eine medizinische Reha mit dem Hinweis, eine berufliche Reha als „Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (LTA) beantragen zu können. Gesagt, getan. Bald kam wie erhofft die Bewilligung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Wie es dann konkret weitergeht, ist individuell verschieden. „Meine Schule“ wurde das Berufsförderungswerk (BFW) Leipzig. Anfang April dieses Jahres ging es los, mein berufliches Training dauert elf Monate.
Individuelle Angebote
Das BFW unterstützt Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können, beim Wiedereinstieg ins Berufsleben. Das Ziel ist es, sich gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu orientieren, sie für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren und sie wieder dorthin zu vermitteln.
Die Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation sind weit gefächert. So geht es in der Berufsfindung darum, die berufliche Eignung anhand von persönlichen Fähigkeiten und Potenzialen objektiv einzuschätzen. Weitere Maßnahmen, um sich auf Umschulungen vorzubereiten, zielen auf eine individuelle Belastungssteigerung der jeweiligen Tätigkeiten ab. Auch junge Menschen können hier Unterstützung finden. Bei den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen erhalten sie Hilfe, wenn sie noch nicht über die notwendige Ausbildungsreife verfügen. Die inklusionsgestützte Erstausbildung richtet sich als besondere Form der Berufsausbildung an junge Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.
Während der Zeit am BFW, die je nach Rehabilitand zwischen sechs Wochen und 27 Monaten variiert, erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kontinuierlich und bedarfsgerecht medizinische, psychologische und sozialpädagogische Unterstützung. Das BFW bietet neben den Hilfen, um für die heutige Arbeitswelt wieder fit zu werden, auch die Möglichkeit, direkt Umschulungen im gewerblich-technischen oder kaufmännischen Fachbereich zu absolvieren. Ob Mediengestalter Digital und Print oder Verwaltungsfachangestellte: Die Palette an Ausbildungsberufen ist vielfältig.
Im modernen, hochwertig ausgestatteten BFW sind mehr als 270 multiprofessionelle, erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, um diese Angebote zu realisieren. Das zugehörige Internat mit fast 300 Plätzen ermöglicht es, dass viele Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer sowohl aus Sachsen als auch aus SachsenAnhalt und Thüringen kommen.
„Die Palette an Ausbildungsberufen am BFW Leipzig ist vielfältig.“
Holger Zürch, Rehabilitand am Berufsförderungswerk Leipzig
Täglich neue Erkenntnisse
Mir fällt es nicht immer leicht, wieder Schüler zu sein und dem sich thematisch steigernden, anspruchsvollen Stundenplan aktiv gerecht zu werden. Überraschend sind die neuen Erkenntnisse beim Unterricht am Computer, etwa beim Word-Programm: Ich nutze es seit drei Jahrzehnten – und war überaus erstaunt, welche Möglichkeiten es gibt, von denen ich bisher keine Ahnung hatte. Zwar sind mir Excel und PowerPoint jetzt kein „Buch mit sieben Siegeln“ mehr – doch vier Siegel sind es immer noch. Ich erlebe hautnah die Unterschiede zwischen guter Lehrer-Erklärung, tatsächlichem VerstandenHaben und Damit-arbeiten-Können.
Praktika sind wichtige Bestandteile im regulären BFW-Programm. Ein Praktikum soll jeweils mindestens vier Wochen dauern. Zu den Herausforderungen gehört das Finden eines Praktikumsplatzes. Zwar bereiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die persönliche Suche nach einem solchen Platz mit vor und unterstützen dabei, doch die Rehabilitanden müssen selbst dafür sorgen, dass das Praktikum zustande kommt. Das habe ich getan – mit Erfolg: Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland hatte mir im Juli kurzfristig ein Praktikum im Stabsreferat Unternehmenskommunikation ermöglicht, darüber habe ich mich sehr gefreut.
Hohe Integrationsquoten
Für die Suche nach Arbeitsplätzen im Anschluss an Rehabilitationsmaßnahmen waren wegen Corona im vorigen Jahr verstärkte Anstrengungen erforderlich und auch erfolgreich: 2021 erreichte das BFW Leipzig Integrationsquoten – also Arbeitsaufnahmen nach Maßnahmenabschluss – zwischen 62 und 100 Prozent. Dank der Kooperationen in Unternehmensnetzwerken und der Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen kommt es immer wieder zum schnellen (Wieder-)Einstieg ins Arbeitsleben. So können Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Umschulungen bei der Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt die Zeugnisse ihrer Abschlussprüfungen vorweisen, die sie bei Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder staatlichen Stellen erhalten haben.
Praktikant bin ich, Schüler, 55 Jahre, und froh über die Möglichkeit, am BFW Leipzig Schüler zu sein. Die Zeit dort will ich bestmöglich nutzen. Und nicht zuletzt: Ich bin dankbar für diese Chance, die mir die Deutsche Rentenversicherung bewilligt hat. Wenn dieser Beitrag erscheint, werde ich mein drittes Praktikum abgeschlossen haben. Das vierte folgt Anfang 2023.
Das Berufsförderungswerk Leipzig
Das Berufsförderungswerk (BFW) Leipzig ist eine Tochter der Deutschen Rentenversicherung. Seit der Gründung im Jahr 1990 nutzten mehr als 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Angebote des BFW. Mehr als 8.000 von ihnen – meist zwischen 25 und 50 Jahren alt und mehr Männer als Frauen – erlernten dadurch ihren neuen Beruf.
Mehr Infos: www.bfw-leipzig.de