Sprung in die Freiheit

Mich für Germanistik und Kunstgeschichte einzuschreiben und somit im Studium nichts Konkretes auf die Frage „Was wirst du dann?“ antworten zu können, war für meine Bedürfnisse Risiko genug. Als wir kurz vor dem Abschluss als Kunsthistorikerinnen eine Exkursion machten, um noch mehr über alte Kirchen, Architekturgeschichte und Freskenmalerei zu lernen, fuhren eine Kommilitonin und ich per Taxi zum Treffpunkt. Die Taxifahrerin erkundigte sich nach unserem Vorhaben und wir riefen begeistert, wir seien Kunsthistorikerinnen und gingen auf große Fahrt. Und sie antwortete genauso begeistert, bevor sie zum Taxifahren kam, habe sie auch Kunstgeschichte studiert. Der Klassiker…

Das Leben aber spielte anders – und so machte ich erst „irgendwas mit Medien“ und fuhr mit Zügen durch die Republik, um bei Poetry Slams aufzutreten, Castings zu besuchen und Veranstaltungen zu moderieren. Nebenbei engagierte ich mich on- und offline für inklusive und feministische Themen und niemand wusste, wann ich schlief oder atmete.

Bis mir mein Beamtenvater selbst den Hinweis auf das Offensichtliche gab: „Warum machst du dich nicht selbstständig?“ Uff, ja, warum? „Ich bin seit zwei Jahren selbstständig und inzwischen habe ich zumindest nicht mehr jeden Tag Existenzängste“, sagte ein Bekannter, und vielleicht war das die Antwort. Der Gedanke hing in meinem Kopf. Was wäre, wenn ich diejenige wäre, die über meine Zeit bestimmte? Und dann kam dieser Job für eine Institution, die Frauen bei der Gründung berät. Während ich auf der Bühne durch die Veranstaltung führte, dachte ich: „Wieso lässt du dich nicht selbst beraten?“ Das tat ich dann.

Schwanger gleich nach Gründung

Inzwischen bin ich seit Jahren selbstständig, über meine Zeit entscheiden immer noch andere: meine Agentin, meine Auftraggeber und allen voran mein Kind. Als wäre die Selbstständigkeit nicht unsicher genug, bin ich kurz nach meiner Gründung schwanger geworden. Trotzdem war ich nie zuversichtlicher, was meine Zukunft angeht. Allein, weil ich bei einer Moderation vor bildenden Künstlern mit Behinderung gefragt wurde, ob das mein Hauptberuf sei, dieses „auf der Bühne stehen“ – und ich die Frage bejahte. Die Künstlerin gratulierte mir herzlich, die eigene Zukunft so selbstbestimmt in die Hand zu nehmen. Das schafften nur wenige „von uns“, sagte sie.

Und was soll ich sagen? Inzwischen habe ich nicht mehr jeden Tag Existenzängste.

Ninia LaGrande

Die Moderatorin und Autorin lebt mit Mann und Kind in Hannover. Ihr Buch „Von mir hat es das nicht!“ (Blaulicht, 2019) handelt von den Herausforderungen des Elternseins.