Marian Gold: „Forever Young habe ich in 45 Minuten geschrieben“

Sänger Marian Gold erzählt, wie es zu „Forever Young“ kam und warum er es auch als 70-Jähriger liebt, auf der Bühne zu stehen.

Marian Gold steht lächeln am Mikrofon.
Darum sollten Sie diesen Artikel lesen:
  • Inspiration und Nostalgie: Der Artikel bietet spannende Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Kultsongs „Forever Young“ und zeigt, wie Marian Gold, Sänger und Gründungsmitglied der Band Alphaville, auch mit 70 Jahren noch aktiv und leidenschaftlich auf der Bühne steht – eine motivierende Perspektive auf das Älterwerden.
Text: Hilmar Poganatz
Prävention
01/2025

Zum Interview im gediegenen Berlin-Zehlendorf steigt Marian Gold ganz in Schwarz gekleidet aus seinem weißen Geländewagen. Der 70-Jährige ist gut aufgelegt und wirkt jünger, als er ist, wobei auch hilft, dass Haare und Bart schwarz gefärbt sind. Am Ringfinger trägt Sänger und Gründungsmitglied der Band Alphaville einen irischen Claddagh-Ring, bei dem zwei Hände ein Herz und eine Krone halten. Seine Frau, die in England studiert hat, lehnte den Ring anfangs ab, weil er auf den Inseln als „Ausrufezeichen hinter einer proletarischen Herkunft“ gelte.

Hallo Marian, als 1984 euer erstes Album „Forever Young“ herauskam, stand in der Jugendzeitschrift Bravo, dass du 19 Jahre jung warst. Fühlt man sich als Teenager nicht viel zu unverwundbar, um eine Hymne gegen das Älterwerden zu schreiben? 
Marian Gold: 19 Jahre war ich nur in der Bravo, in Wahrheit war ich schon 30. Und dieses „Für immer jung“, das faszinierte mich, weil es so ein Mythos ist und etwas Hollywoodmäßiges hat. 

Wie entstand daraus das Lied? 
Die Musik dazu haben wir damals in einer halben Stunde im ehemaligen Kinderzimmer meines Bandkollegen Bernd geschrieben. Für den Text dazu habe ich 45 Minuten gebraucht. Wie es dann genau dazu kam, bleibt das Geheimnis der Musik. Im kreativen Prozess verliere ich mich und überlasse mich meinem Instinkt, ohne zu wissen, woher das kommt. Mein Kopf ist dabei wie ein Mischpult im Studio, über das ich nur teilweise die Kontrolle habe. Nur so kann man überhaupt so ein Stück wie „Yesterday“ schreiben oder eben „Forever Young“.

„Forever! – Best of 40 Years“

ist das aktuelle Album von Golds Band Alphaville. Das nächste ist bereits in Arbeit und wird „Thunderbaby“ heißen.

Bild des aktuellen Covers von Alphaville.

„Es geht um das Paradox, dass du existierst und wieder vergehst. Warum existierst du dann?“

Geht es denn in dem Song überhaupt um ewige Jugend oder geht es um das Älterwerden? Oder vielleicht um etwas ganz anderes? 
Es geht um dieses Rätsel, dass wir geboren werden und irgendwann sterben. Dieses Paradox: Du existierst und dann vergehst du wieder. Warum existierst du dann überhaupt? Das ist eine Frage, auf die wir Menschen außerhalb des Glaubens bis heute keine richtige und nachvollziehbare Antwort gefunden haben. Auf diese Wissenslücke bezieht sich „Forever Young“. Der Song selbst ist schlicht, er philosophiert auch nicht, sondern besteht aus Versatzstücken aus Hollywood- Filmen. Aber er beschäftigt sich mit einem sehr komplexen Thema. Deswegen ist er so groß geworden, weil er mit den Menschen spricht, in den widersprüchlichsten Situationen. Dabei wissen wir alle genau, dass „Forever Young“ ein Mythos ist, aber in diesem Mythos steckt eben unheimlich viel Interpretationsspielraum. 

Das ist vier Jahrzehnte her. Inzwischen bist du 70 geworden. Was hält dich jung genug, um weiter auf der Bühne zu stehen, Marian Gold? 
Vor allem die Musik. Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnern kannst: Früher, wenn du dir eine Platte gekauft hast und du fandest die Musik so toll, dass du sie unbedingt jemand anderem vorspielen wolltest. Und wenn der sie dann auch toll fand, entsteht so ein überwältigendes Glücksgefühl. Genauso ist es als Künstler. Diese Verspieltheit, die ich in mir trage, ist halt immer noch Rock ’n’ Roll – und wenn man nicht auf seine Ängste hört, hat man so viele Möglichkeiten. 

Viele Künstler werden ja irgendwann müde, ihre alten Hits zu spielen … 
Das kenne ich tatsächlich nur aus Deutschland. Mir ist noch kein ausländischer Künstler begegnet, der seine guten, erfolgreichen Stücke hasst. Unsere alten Songs sind ja zum Glück gute Stücke, natürlich singe ich die noch gerne!

Marian Gold von Alphaville bei einem Konzert der „40th Anniversary – The Symphonic Tour“.

Dabei hat Alphaville in den 80er-Jahren gar keine Live-Konzerte gegeben, oder? 
Nein, wir waren einfach drei grüne Jungs, die keine Instrumente spielen konnten und die sich ein paar billige Synthesizer gekauft hatten, mit denen sie einen Welthit nach dem anderen produzierten. Aber wir konnten ja nicht ein ganzes Studio mit auf die Bühne nehmen. Das hat damals keiner verstanden. 

Als ihr 1993 in Beirut euer erstes richtiges Live-Konzert gegeben habt, hatte euer Erfolg schon nachgelassen. Viele Stars haben in ihrem Leben mit Schaffenskrisen, Drogen oder Beziehungsproblemen zu kämpfen. War das bei dir ähnlich? 
Drogen und Beziehungen – klar gab es das auch in meinem Leben. Aber deswegen bin ich nicht in eine Lebenskrise gestürzt. Unsere Alben in den 90er-Jahren sind natürlich nicht so gelaufen wie die in den 80ern, aber das war immer noch ganz ordentlich. Wir haben dann in den 90er-Jahren das gemacht, was andere Bands am Anfang ableisten: die Ochsentour durch die Clubs. Da haben wir noch mal ganz klein angefangen und uns nach oben gespielt. Am Anfang kamen nur 100 Zuschauer, irgendwann waren es 300, dann 800, dann 1.500. Die Journalisten haben uns erst in den 2000er-Jahren wiederentdeckt.

In dieser Zeit bist du mit vier verschiedenen Frauen sieben Mal Vater geworden. Das klingt nach einer großen Patchwork-Familie.
Wir sind eigentlich keine Patchwork-Familie und auch keine Familie im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches. Es gibt auch überhaupt keine Vereinbarungen. Das ist einfach eine Frage des Vertrauens. Wir sind eine riesengroße Familie mit einer lebensbejahenden und grundsätzlich freundlichen und freundschaftlichen Einstellung zueinander.

Großvater bist du noch nicht, aber wie fühlt es sich an, älter zu werden? 
Ich finde es grauenhaft, alt zu werden. Du wirst immer wertloser vor dir selbst. Natürlich waren meine Großeltern nicht „wertlos“, weil sie alt waren; aber man fühlt sich eben selbst so, man wird überflüssiger. Ich verliere außerdem mehr und mehr den Kontakt zu den heutigen Jugendkulturen. Meine jüngste Tochter wird demnächst elf, die älteste ist 26. Ich bekomme also allein schon deshalb mit, dass Alphaville auf Tiktok gerade abgeht wie nichts. Aber die Lebenseinstellung der jungen Generation, die kapiere ich zunehmend weniger. 

2022 hast du in einem Interview gesagt, du kämst so langsam auf die Zielgerade: In fünf oder sechs Jahren wäre es mit deiner Stimme vorbei. Wie meinst du das? 
Das geht ganz schnell. Bei David Bowie hat man es am Schluss auch gemerkt. Er hatte natürlich immer noch dieses faszinierende Timbre, aber nicht mehr diesen Umfang, der vom Gesang her so anderthalb Oktaven umfasste. Bei Alphaville ist der Umfang noch mal größer, und da mache ich mir keine Illusionen, das wird irgendwann vorbei sein mit meiner Stimme. Wenn man Künstler nicht mehr erkennen kann, weil sie eine Oktave tiefer singen müssen, ist das irgendwie eine andere Person. Und das möchte ich mir und den Alphaville-Fans ersparen. 

Die drei Mitglieder von Alphaville in jungen Jahren.
Marian Gold am Mikrofon in jungen Jahren.

2 Millionen

„Forever Young“- Alben hat Alphaville weltweit verkauft. Das umfasst: fünf Goldene und zwei Platin-Schallplatten.

Dennoch ist dir genau dann mit dem Album „Eternally Yours“ ein Riesen-Comeback gelungen: über 40 ausverkaufte Shows und Platz zwei in den Album-Charts. Hast du damit noch gerechnet?
Die Symphonietour hat wirklich vieles geändert. Die Idee, mit einem großen Orchester zu spielen, schwebte seit 35 Jahren wie ein Ufo über unseren Köpfen, aber ich hatte seit den 80er-Jahren immer zwischen Tür und Angel gelebt und nicht die Ruhe gehabt, über etwas ganz Neues nachzudenken. Dann kam plötzlich diese Pause durch Corona, und die alte Idee kehrte zurück. Wir wollten unsere Stücke mit den Orchestermusikern noch einmal komplett neu interpretieren. Die Tour wurde dann immer größer; in Hamburg spielten wir drei Mal und es reichte noch immer nicht, sodass wir auf einmal in der Elbphilharmonie standen. Das hat wohl mit bewirkt, dass wir auf Social Media so gehypt werden. 

Im vergangenen September habt ihr das Best-of-Album „Forever!“ herausgebracht. Ist das schon so eine Art Schlussstrich? 
In meinem Alter weiß man nie, ob es das letzte Album ist, aber noch in diesem Jahr kommt unser neues Studioalbum raus: „Thunderbaby“. Klangmäßig soll es zu unserem Synthie-Sound der 80er zurückkehren, vielleicht auch, was die Einfachheit der Songs angeht. Ich möchte noch mal zurückgehen in der Zeit und mich fragen: Würdest du das heute anders machen? Nicht aus kommerziellen Gründen, sondern als Reise in die Vergangenheit. 

Treibt dich auch im Privatleben der Wunsch um, zu den Ursprüngen zurückzukehren? 
Lange war das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte, das, was viele meiner Freunde gemacht haben: Die wohnen alle wieder in Bielefeld oder in Herford. Ich habe mich immer geweigert zurückzugehen. Doch so langsam nehme ich in mir ein Bedürfnis wahr, genau das zu tun. Wenn wir in Münster auftreten, erfüllt es mich jedes Mal mit Wehmut, Melancholie und gleichzeitig großer Freude. Ich habe das Gefühl, da schließt sich ein Kreis.

INFO - Tiktok-Hype

In 2024 erlebte „Forever Young“ von Alphaville eine erstaunliche Wiedergeburt. Hauptgrund für das Revival scheint die junge Social- Media-Plattform Tiktok zu sein. Dort wurde der Song im Sommer 2024 plötzlich zum Hype. Einer der Gründe dafür, dass plötzlich Kinder mit Zahnspangen zu dem Song schwoften, war wohl ein Videofilter, der Gesichter so verändert, dass sie wieder wie Teenager aussehen. Hinterlegt war dieser Filter mit „Forever Young“.

Vom Hausbesetzer zum Weltstar

Sänger Marian Gold mit roter Mütze und rotem Oberteil in jungen Jahren.
Marian Gold

wurde 1954 in Herford geboren und besuchte das Internat Schloss Salem am Bodensee. Seinen Wehrdienst brach er ab und ging nach Westberlin, wo er in besetzten Häusern lebte. 1980 zog er ins heimatliche Münster. Dort gründete er 1982 mit den Keyboardern Bernhard Lloyd und Frank Mertens ein Trio, das ab 1983 Alphaville heißt. Die erste Single „Big in Japan“ schoss sofort auf Platz eins, auch „Forever Young“ wurde 1984 ein Welthit. In den 1990er-Jahren ließ der riesige Erfolg nach. Gold veröffentlichte zwei Soloalben, arbeitete aber auch weiter mit Alphaville. 2022 erschien das mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg aufgenommene Album „Eternally Yours“, der größte Erfolg der Band seit 1984.

Infos zur „Alphaville Forever“-Tour:
www.alphaville.earth

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