Zum Inhalt springen

Plötzlich allein mit drei Kindern

Jörn und Monica Lauenstein sind 20 Jahre lang ein Paar. Dann erhält Monica die Diagnose Brustkrebs. Heute muss Jörn sich alleine um Romy und Mick kümmern.

Ein Mann steht lässig an eine graue Couch gelehnt, trägt eine weiße T-Shirt, hellblaue Jeans, weiße Sneakers und eine nach hinten getragene Basecap. Er lächelt in die Kamera. Zwei Kinder sitzen mit dem Rücken zur Kamera auf der Couch – eines lehnt sich nach vorne, das andere schaut seitlich weg. Im Hintergrund sind ein Regal mit Büchern und Spielen, ein großes Wandbild mit Leuchtturm-Motiv und eine moderne Stehlampe zu sehen.
Darum sollten Sie diesen Artikel lesen:

Was passiert, wenn ein Vater plötzlich allein mit zwei kleinen Kindern dasteht? Dieser berührende Artikel erzählt von Trauer, Verantwortung und neuer Stärke nach dem Verlust der Partnerin – und zeigt, wie wichtig emotionale und finanzielle Unterstützung in solchen Lebenskrisen ist. Ein ehrlicher Einblick in den Alltag junger Hinterbliebener.

Text: Marie-Charlotte Maas
Rente
03/2025

Es ist die hölzerne Kommode im Wohnzimmer, die nach Monicas Tod zur Anlaufstelle für Jörn Lauenstein und seine Kinder Romy und Mick wird. Der Ort, an dem sich die drei mit ihrer verstorbenen Mutter und Ehefrau verbinden. „Gleich nach der Beerdigung haben wir dort Fotos von Moni aufgestellt, die Kinder haben Bilder für sie gemalt und sie dort abgelegt. Wenn etwas Besonderes passiert ist, war die Kommode der Ort, an dem wir es ihr erzählt haben. Und jeden Morgen und jeden Abend haben wir ihr dort Hallo und gute Nacht gesagt“, erinnert sich Jörn Lauenstein. 

Vier Jahre ist es jetzt her, dass der heute 42- jährige Braunschweiger seine Frau und Romy und Mick ihre Mutter verloren haben. Die Kinder waren bei ihrem Tod fünf und acht Jahre alt. 

Jedes Jahr kommen in der Statistik der Deutschen Rentenversicherung rund 50.000 Halbwaisen und circa 500 Vollwaisen hinzu, wobei sich die Zahl der Todesfälle der Eltern rund ums 50. Lebensjahr besonders häufen. Dies ist der Fall einer der betroffenen Familien. 

Monica Lauensteins Krankengeschichte beginnt an einem Tag, der eigentlich zu den glücklichsten im Leben einer Mutter gehören sollte: Die Geburt ihres kleinen Jungens Mick stand kurz bevor. Doch alles kam anders: „Einen Tag vor dem geplanten Kaiserschnitt erfuhren wir, dass die Verhärtung, die Moni wenige Wochen zuvor in ihrer Brust ertastet hatte, Krebs war und dass sie so schnell wie möglich operiert werden musste“, erzählt Jörn. 

Ein Schock für das Ehepaar, doch beide glauben daran, dass alles gut ausgeht. Seit fast 20 Jahren sind die beiden ein Paar, haben sich – gerade volljährig geworden – kurz vor der Jahrtausendwende im Internet kennengelernt. Erst sind sie Freunde, dann ein Liebespaar.

Ein Mann mit weißem T-Shirt, Kette und rückwärts getragener Basecap sitzt lächelnd an einem bunt gepunkteten Tisch und hält Spielkarten in der Hand. Ihm gegenüber sitzen zwei Kinder, deren Gesichter nicht zu sehen sind – eines davon hält auffällig bunte UNO-Karten. Im Hintergrund sind eine grüne Wand, Küchenschränke und Kinderzeichnungen zu erkennen.
Ein Regalbrett mit mehreren dekorativen Holzfiguren ohne Gesichtszüge, die innige Umarmungen darstellen – darunter Eltern mit Kind. Dazwischen stehen Erinnerungsstücke wie Muscheln, ein kleines Katzenfigürchen, eine Kerze in Herzform, Fotos eines Neugeborenen sowie Karten, darunter eine mit der Aufschrift „Der Wünschewagen – Für (d)einen kleinen Wunsch“ und eine Gedenkkarte mit der Aufschrift „Im Gedenken

Schon früh hilft eine Rente

Direkt nach dem Kaiserschnitt wird Monica an der Brust operiert. Der Tumor kann erfolgreich entfernt werden. Zwölf Wochen lang erhält Moni, wie alle sie nennen, Chemotherapie, dann Bestrahlung. Jörn muss den gemeinsamen Alltag alleine stemmen: „Gerade mit einem Neugeborenen war das eine ganz neue Erfahrung. Ich habe ihm das Fläschchen gegeben, die Windeln gewechselt, bin nachts aufgestanden, wenn er geweint hat. Das war im Alleingang kräftezehrend, aber mein Sohn und ich haben dadurch eine besonders enge Bindung zueinander." Dann die gute Nachricht: Nach Monicas Operation, der Chemotherapie und der Bestrahlung scheint die Krankheit besiegt. Drei Jahre lang sieht bei den halbjährlichen Untersuchungen nichts danach aus, als sei der Krebs zurückgekehrt. Zwar ist Monica durch die Behandlungen körperlich und emotional angegriffen, aber der Familienalltag kommt langsam wieder in Gang. 

Jörn, der als IT-Experte in der Automobilindustrie arbeitet, hat seine Schicht- und Nachtdienste komplett gegen die Tätigkeit im Homeoffice eintauschen können. „Eine große Erleichterung für mich, weil ich ohne die Pendelei nach Wolfsburg viel mehr Zeit für Monica und die Kinder hatte.“ Monica, die als Schreibkraft in der Medizinbranche tätig war, hat zwar aufgrund ihrer Erkrankung ihre Stelle aufgegeben, doch sie erhält eine Erwerbsminderungsrente von der Deutschen Rentenversicherung. Finanziell hat die Familie keine Probleme, auch weil Jörn gut verdient. Im Sommer 2019, es ist der erste Tag der großen Ferien, weckt ihn seine damals siebenjährige
Tochter Romy mit der Mitteilung, dass es Mama nicht gut gehe. Mit dem Notarzt kommt Monica ins Krankenhaus. Nach zahllosen Untersuchungen
steht fest: Durch den Brustkrebs haben sich Metastasen im Gehirn gebildet. „Ich bin auf dem Krankenhausflur zusammengebrochen. Ich hatte riesige Angst, dass Moni das nicht überleben könnte. Und genauso groß war meine
Angst, dass sie durch die geplante Operation ein Pflegefall werden oder nicht mehr sie selbst sein könnte.“

ChatGPT:  Porträt eines Mannes mit kurzem Bart und grauen Haaren, der eine schwarze Basecap rückwärts trägt. Er schaut ernst in die Kamera, trägt ein weißes T-Shirt und eine silberfarbene Gliederkette.

„Ich will den Kindern trotz allem die schönste Kindheit bieten, die möglich ist.“

Jörn Lauenstein (42),
verwitweter Vater

Abschied nehmen

Monica wird sofort am nächsten Tag operiert, anschließend muss sie sechs Wochen im Krankenhaus verbringen. Erneut ist Jörn auf sich alleine gestellt, bringt Mick in die Kita und Romy zur Schule, kocht, hilft bei den Hausaufgaben, tröstet. Auch als die Ärzte erklären, dass Monicas Krankheit höchstwahrscheinlich nicht mehr heilbar ist. „Die Kinder sind mit der Situation gut umgegangen“, erzählt Jörn Lauenstein. „Wir haben von Anfang an nichts verheimlicht und ihnen immer gesagt, wie es um Monica steht.“ 

Als Monica auf die Palliativstation und schließlich ins Hospiz kommt, besucht Jörn sie fast jeden Tag, oft mit Romy und Mick. Eine schwere Zeit für den arbeitenden Vater: „Ich war im Dauerstress, habe versucht, den Kindern gerecht zu werden, mich um Monica zu kümmern und gleichzeitig meinen Job zu machen.“ Jörn gerät immer häufiger an seine Grenzen. „Moni und ich haben damals viel gestritten. Sie durchlebte eine Phase der Wut und Trauer, ich war mit ihren Gefühlen vollkommen überfordert, auch weil ich keine Chance hatte, meine eigenen zu verarbeiten.“ Dennoch macht er weiter. 

Im September 2020 ist Monicas Körper so geschwächt, dass sie im Hospiz einschläft. Sie wird im Friedwald beigesetzt, Jörn und die Kinder besuchen sie anfangs fast jeden Tag. 

Vier Jahre nach Monicas Tod hat der Alltag die Familie wieder. Sie sind viel draußen, machen Ausflüge, gehen auf Spielplätze. „Ich
will meinen Kindern trotz des schweren Verlusts die schönste Kindheit bieten, die möglich ist“, sagt Jörn Lauenstein. Er und die Kinder wohnen immer noch im selben Haus wie Monicas Mutter. Eine Hinterbliebenenrente erhält Jörn aufgrund seines guten Gehalts nicht, Romy und Mick beziehen allerdings eine Halbwaisenrente. Die zahlt Jörn auf zwei eigens eingerichtete Konten ein: „Das Geld sollen die beiden nutzen, um später damit eine Ausbildung oder ein Studium zu finanzieren.“ Eine neue Frau hat er nicht an seiner Seite. „Ich habe mich nach Monis Tod auf Dating-Apps angemeldet, aber als alleinerziehender Vater ist es nicht leicht, jemanden kennenzulernen, einfach, weil die Zeit fehlt.“ Aber er sei offen für eine neue Liebe. Auch die Kinder ermutigten ihn, sagt Jörn. „Wenn ich jemanden in mein Leben lasse, macht
das meine Liebe zu meiner Frau ja nicht kleiner. Moni behält immer ihren Platz in meinem Herzen.“

So hilft die Rentenversicherung, wenn Eltern sterben

Deutschlandweit bezogen im Jahr 2024 insgesamt 268.000 Kindern und jungen Erwachsenen eine Halbwaisen- oder Vollwaisenrente. Ist der verstorbene Elternteil mindestens fünf Jahre gesetzlich rentenversichert gewesen, kann ein Anspruch unter anderem bestehen für: leibliche oder adoptierte Kinder, ebenso im Haushalt lebende Stief- und Pflegekinder. Absolvieren Betroffene ein Studium, eine Schul- oder Berufsausbildung oder einen Freiwilligendienst, können sie ihre Halb- oder Vollwaisenrente maximal bis zum Ende des 27. Lebensjahres beziehen. 

Wie viele Witwen und Witwer im Alter zwischen 20 und 50 Jahren es in Deutschland gibt, ist nicht genau bekannt. Die „Nicolaidis Youngwings“-Stiftung für junge Trauernde schätzt ihre Zahl auf eine halbe Million – oft mit Kindern. Um sie bei dieser schwierigen Aufgabe zumindest finanziell zu unterstützen, können sie Anspruch auf Leistungen der Rentenversicherung haben. Weitere Infos finden Sie unter dem unten stehenden Link. Die Deutsche Rentenversicherung zahlte in 2024 rund 753.000 Renten an Witwer.
Geschiedene, die ein minderjähriges Kind erziehen, können beim Tod des Ex-Partners unter bestimmten Voraussetzungen die sogenannte Erziehungsrente erhalten, die als Unterhaltsersatz dient.

Mehr Details online unter:
t1p.de/DRV-Hinterbliebene und
t1p.de/DRV-Welche-Hinterbliebenenrenten-es-gibt

Ähnliche Artikel