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„Anders, aber auch total cool“

Als Vater im Rollstuhl sitzen und ein Familienleben führen: Natürlich geht das!

Ein Mann im Auto mit geöffneter Tür in die Kamera blickend.
Darum sollten Sie diesen Artikel lesen:

Der Artikel zeigt, wie ein Vater im Rollstuhl trotz körperlicher Einschränkungen ein aktives Familienleben führt und macht deutlich, dass gelebte Inklusion im Alltag möglich und bereichernd ist.

Text: Simone Witt
Prävention
Nordrhein-Westfalen
03/2025

Die Kinder aus dem Kindergarten oder der Schule abholen, den Sohn zum Fußballtraining fahren, die Tochter zum Tanzen. Mit ihnen auf den Spielplatz gehen oder in die Eisdiele – alles Dinge, die Mütter und Väter so machen. Ob die Eltern eine Behinderung haben, deshalb im Rollstuhl sitzen oder sich mit Gehhilfen fortbewegen, ist egal. Sie tun es. Denn das Wie ist ihren Kindern nicht so wichtig. Sehr wichtig hingegen ist ihnen zum Beispiel, dass Mama oder Papa sie vom Spielfeldrand aus anfeuern, auf dem Spielplatz ihren Mut beim Klettern bewundern. Und so ist das auch in der Familie von Sebastian Menke, Mitarbeiter im Gleitzeitbüro der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Westfalen, Rollstuhl- und Autofahrer.

Der 43-Jährige ist von Geburt an behindert. Er kommt zu früh auf die Welt, Sauerstoffmangel verursacht eine Diplegie, eine Lähmung der Beine. Er lernt, an Gehhilfenzu laufen. Das strengt an, deshalb ist es im Rollstuhl leichter für ihn. „Die Muskelspannung in meinen Beinen ist derart stark, dass mich aber auch langes Sitzen körperlich anstrengt“, erklärt er. Ein Grund, warum der Bürokaufmann nicht Vollzeit, sondern mit 30 Stunden in der Woche Teilzeit arbeitet. Bei der DRV Westfalen angestellt ist Menke seit 13 Jahren. Hier ist er unter anderem zuständig für die Krankmeldungen, die Ausgabe der Dienstausweise und die Pflege der Gleitzeitkonten.

Gemeinsame Erziehung

Seine Frau Christina ist Sozialpädagogin und arbeitet als Integrationsfachkraft. Die beiden sind seit 2012 verheiratet, der Sohn ist elf und die Tochter fünf Jahre alt. Für das Ehepaar war früh klar, dass beide auch als Eltern weiter in ihrem Beruf arbeiten werden. „In meinem Freundeskreis arbeiten alle Mütter. Sie engagieren eher eine Tagesmutter, als dass sie zu Hause bleiben. Bei meinen Eltern war das anders: Mein Vater arbeitete Vollzeit, meine Mutter arbeitete nach meiner Geburt nicht mehr. Denn sie musste mit mir so oft zu Ärzten, ins Krankenhaus, zur Krankengymnastik – das hielt sie damals mit einer regelmäßigen Arbeit für kaum vereinbar“, erzählt Menke.

Um die Erziehung ihrer Kinder kümmern sich Sebastian Menke und seine Frau gemeinsam, gleichberechtigt. Er fährt den Sohn regelmäßig zu Fußballspielen, holt die Tochter von der Kita ab. Arztbesuche mit den Kindern übernimmt er gleichermaßen. „Mein Auto ist für meine Bedürfnisse entsprechend umgebaut. Es gibt keine Pedale im Fußraum, alles ist auf die Bedienung per Hand ausgelegt“, erklärt Menke. Sein Rollstuhl liegt dann im Kofferraum. Die wenigen Meter bis dorthin kann er gut selbst zu Fuß bewältigen und auch den Rollstuhl allein herausholen.

Die Kinder wissen genau, wann ihr Vater Hilfe benötigt, und wann nicht. „Natürlich helfen meine Kinder mir öfter als andere Kinder ihren Vätern. Aber generell möchte ich auch erreichen, dass sie früh selbstständig werden. Sich alleine anziehen, eine Wasserflasche aufdrehen, den eigenen Teller in die Spülmaschine stellen sind Dinge, die auch Fünfjährige lernen können“, meint er. Ganz unabhängig davon, dass Papa im Rollstuhl sitzt. Was den Haushalt angeht, wird geschaut, was der Familienvater übernehmen kann. „Wer im Rollstuhl sitzt, kann halt nicht mal eben durchwischen, die Fenster putzen oder schwere Wasserkisten tragen“, erklärt Menke. Also bringt er den Müll raus, erledigt kleinere Einkäufe, regelt sämtliche Post, telefoniert mit Ämtern und hat alle technischen Geräte im Griff. „Mit der App auf meinem Smartphone kann ich so vieles steuern, das erleichtert mir das Leben enorm. Doch wehe, ich habe mal vergessen, Mineralwassernachschub über die App zu bestellen. Dann gibt es Stress mit meiner Tochter. ‚Papa, du hast deinen Job nicht gemacht!‘, sagt sie dann. Kinder sind echt schonungslos“, erzählt er und schmunzelt.

Drei Kolleginnen am Tisch im Betriebsrestaurant der DRV Westfalen.

„Ich möchte so gesehen werden wie jeder andere Mann auch.“

Sebastian Menke, Mitarbeiter der DRV Westfalen

Familie ist wichtig

„Ehrlich sein, zusammenhalten – Familie ist wichtig“, betont Sebastian Menke und ergänzt: „Und mit anderen umgehen, wie man selbst behandelt werden will.“ Das geben er und seine Frau auch den Kindern mit auf den Weg. Für diese vier ist das Familienleben mit Rollstuhl ganz normal. Für andere jedoch nicht immer: „Leider wird eine sichtbare körperliche Behinderung oft gleichgesetzt mit geistiger Einschränkung. Das ist schade und ärgert mich.“ Das zeigt sich, wenn Erwachsene ihn einfach ungefragt duzen oder nur seiner Frau Fragen stellen, obwohl er daneben sitzt. Ganz anders ist das mit den Freunden der Kinder. Sie fassen den Rollstuhl an, wollen wissen, warum er ihn braucht, oder schauen einfach nur. Verwundert sind sie allerdings, wenn er in seiner Küche plötzlich aus dem Rollstuhl aufsteht, sich an der Arbeitsplatte festhält und kurz etwas erledigt. „Wenn ich mich festhalte, kann ich in der Küche ein wenig laufen und zum Beispiel das Abendbrot vorbereiten“, erläutert er. Gefreut hat Menke sich, als ein kleiner Besucher einmal meinte: „Du bist total anders als mein Papa, aber eigentlich auch total cool.“ Denn genau so möchte er gesehen werden: wie jeder andere Mann auch. Als Kollege, als Familienvater, als Mensch.

Informationen

Arbeiten mit Behinderung 

Mit Sebastian Menke arbeiten 245 Menschen mit Behinderung in der Deutschen Rentenversicherung Westfalen. Mal sichtbar, mal unsichtbar eingeschränkt.

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