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"Mich haben drei starke Frauen großgezogen"

Der Comedian Tony Bauer wuchs schwer krank und ohne Vater auf. Dann wurde er berühmt. Ein Gespräch über Männer, Frauen und gute Witze.

Ein junger Mann mit dunklem Haar, Schnurrbart und Bart sitzt in einem grün-blauen Kinosessel. Er trägt einen dunkelgrünen Kapuzenpullover und eine grüne Baseballkappe mit dem weißen Buchstaben 'A’s'. Seine Arme liegen locker auf der Stuhllehne, er schaut ruhig und direkt in die Kamera. Auf seinem rechten Handgelenk ist ein kleines Tattoo zu sehen.
Darum sollten Sie diesen Artikel lesen:

Tony Bauer ist nicht nur ein erfolgreicher Comedian – er ist ein echtes Wunder der Medizin und ein Kämpfer mit Humor. Im Interview spricht er offen über seine seltene Krankheit, seine Kindheit ohne Vater, seine Rolle als Vorbild mit Handicap – und warum er trotz allem nie seinen Witz verloren hat. Eine inspirierende Geschichte über Resilienz, Reha, Lebensmut und starke Frauen, die Mut macht und zum Lachen bringt.

Interview: Hilmar Poganatz
Reha
03/2025

Überlebenskünstler

Eine Brasilianerin brachte Anthony Bauer 1995 am Rande des Ruhrpotts zur Welt. Mit zwölf erlitt er eine Darmverschlingung, bei der sein Dünndarm abstarb. Dank dauerhaft künstlicher Ernährung konnte er nicht nur überleben, sondern auch Fußball spielen und die Schule beenden. Heute ist er 29 Jahre alt, 1,67 Meter groß und erfolgreich.

Zum Interview per Videoschalte sitzt Tony Bauer in seinem Duisburger Wohnzimmer, hinter ihm hängt ein Bild von Supermodel Cindy Crawford. Bauer trägt eine auffällige goldgerahmte Nickelbrille und einen fliederfarbenen Trainingsanzug mit dem Motto „Schnell leben, jung sterben“.

Hey Tony, cooles Outfit! „Schnell leben, jung sterben“, den Spruch verbindet man mit James Dean. Darf man den heute noch gut finden? 

Tony Bauer: Na klar, der coolste Typ überhaupt! Motorrad, Pilotenjacke und Clarks, Zigarette im Mund. Man muss nicht rauchen, um männlich zu sein, aber der war interessant! Der ist für mich ein Vorbild, genau wie Eddie Murphy.

Die beiden sind jetzt keine Rollenmodelle für moderne Männlichkeit. Darf man Künstler weiter gut finden, obwohl sie mal Mist gebaut haben? 

Ich weiß, dass das heute nicht mehr selbstverständlich ist, aber ich trenne zwischen Künstler und Werk. Wir haben alle Leichen im Keller, und keiner ist frei von Schuld. Ich finde es schlimm, dass heute alle nur noch schwarz oder weiß sehen. Wenn du ausgewogen argumentierst, bist du raus. Jeder verdient eine zweite Chance.

Sexismus scheint im Showbusiness verbreitet zu sein. Du bist im TV viel mit Dieter Bohlen aufgetreten – ist der wirklich so ein Macho? 

Zu mir war Dieter brutal cool, und in der Jury von „Supertalent“ hatte ich nicht das Gefühl, dass er den Macho raushängen lässt. Dieter ist „Mich haben drei starke Frauen großgezogen“ Der Comedian Tony Bauer wuchs schwer krank und ohne Vater auf. Dann wurde er berühmt. Ein Gespräch über Männer, Frauen und gute Witze. INTERVIEW: Hilmar Poganatz Überlebenskünstler Eine Brasilianerin brachte Anthony Bauer 1995 am Rande des Ruhrpotts zur Welt. Mit zwölf erlitt er eine Darmverschlingung, bei der sein Dünndarm abstarb. Dank dauerhaft künstlicher Ernährung konnte er nicht nur überleben, sondern auch Fußball spielen und die Schule beenden. Heute ist er 29 Jahre alt, 1,67 Meter groß und erfolgreich. 12 Interview FOTOS: MAX KOPP, PR halt wie ein Ruhrpott-Kerl. Wenn der dich mag, sagt er, er mag dich; und wenn er dich nicht mag, sagt er, er mag dich nicht. Wenn du mal durch Gelsenkirchen oder Duisburg läufst, da ist jeder zweite Mensch genauso. So wird man hier groß, und deshalb hatte ich mit Dieter nie Probleme. Der hat sich auch so ein Stück weit geändert und muss nicht mehr immer der Platzhirsch sein, glaube ich.

„Ich glaube, dass man immer noch über alles Witze machen darf. Du musst nur eine klare Haltung haben und die Gefühle deines Publikums kennen.“

Noch mal zum Motto „Schnell leben, jung sterben“: Als du zwölf warst, gab dir dein Arzt nur noch zwei Jahre zu leben. Wie viel Zeit hast du in Kliniken verbracht, bis du halbwegs normal leben konntest? 

Ich komm’ nicht aus Marxloh, ich komm’ aus der Klinik. Wenn Leute sagen: Ich komm’ von ganz unten, das ist doch gar nix. Ich komm‘ von dort, wo es um Leben und Tod geht. Deshalb ist das, was ich heute habe, einfach irre. Mein Leben hat sich um 180 Grad gedreht und ich kann mir so viele schöne Dinge erlauben.

Du hast ja eine sehr seltene Krankheit: Dein Dünndarm hatte sich verdreht und ist abgestorben – wie hast du das zum Thema deiner aktuellen Comedy-Tour umgedeutet? 

„Fallschirmspringer“ heißt mein Programm, weil ich zwölf Stunden am Tag einen Rucksack trage, der mich über einen Schlauch künstlich ernährt. Als mir mein Chirurg den damals gab, meinte er: „Tony, du bist jetzt ein Fallschirmspringer.“ Der Mann hat mein Leben gerettet. Und ich hoffe, dass er diese Hommage jetzt irgendwie mitkriegt und weiß: Ich habe da ein kleines Leben verändert – so wie ich jetzt auch versuche, den Staffelstab weiterzureichen, wenn heute kranke Kids mit ihren Eltern in meine Show kommen.

Hat sich denn dein Retter nochmal gemeldet bei dir, jetzt wo du im Fernsehen bist?

Ich weiß gar nicht, ob mein damaliger Arzt das mitbekommen hat, oder ob er überhaupt noch lebt. Er war damals schon sehr alt. Ich hoffe, er hat davon erfahren und ich würde mir wünschen, vielleicht irgendwann sein Lächeln zu sehen. Denn das war eigentlich so ein richtig zynischer Arzt, der nie gelacht hat. Daher würde ich mir wünschen, dass er vielleicht zu Hause sitzt, wenn er das hier liest oder mich im Fernsehen sieht und dann ein bisschen für sich selber lächelt und denkt: Da habe ich mit meiner Arbeit der Welt etwas Gutes hinterlassen.

Ist das in einer Klinik im Ruhrgebiet passiert?

Nein, das war in Mannheim. Dort hat man mich wirklich geheilt! Leider weiß ich den Namen des Chirurgs nicht mehr.

War dieser Arzt derselbe, der dir gesagt hat, du hättest nur noch 2 Jahre zu leben?

Nee, das war jemand anderes. Aber das war auch okay so, als mir das damals gesagt wurde. Weil es mir dann die Augen geöffnet hat. Klar bin ich erstmal in ein schwarzes Loch gefallen, aber dann hat mir diese Aussage auch den Mut gegeben, zu sagen: Hey! Niemand kann sagen, wie lange ich noch lebe und was aus mir wird! Das kann nur ich selbst. Und das hat mir viel Kraft gegeben, um das zu tun, was ich gerade tue.

Wie wie kriegt man denn so eine Krankheit wie eine Dünndarmumstülpung überhaupt, so einen „Volvulus“? Ist das angeboren?

Entweder man hat das von Geburt an oder es passiert wie bei mir, also erst später. Da verdreht sich der Dünndarm sich im Körper so stark, bis er abstirbt. Das ist eigentlich sehr selten, das passiert nie. Da gewinnt man eher mit `nem Sechser im Lotto, als dass man das kriegt.

Deinen deutschen Vater hast du nie kennengelernt – fehlte dir die Vaterfigur? 

Ich hab eine unfassbare Familie: Meine Mum, zwei Omis und mein Opa, die haben mir so viele Werte mitgegeben, da hab’ ich nie nach einem Vater gesucht. Ich wurde von so drei unfassbar starken Frauen großgezogen, die aus mir, glaube ich, einen guten jungen Mann gemacht haben. Darauf bin ich auch am meisten stolz, dass ich einfach ich selber geblieben bin, in dem ganzen Trubel. Ich versuche immer, nett zu sein und hilfsbereit und den Leuten, denen etwas fehlt, ein bisschen mehr von mir zu geben.

Du bist ja halber Brasilianer. Welcher Teil in dir ist stärker: Rio oder Ruhrpott? 

Ich bin schon eine Frohnatur und ich bin eher so der Typ: Komm ich heut nicht, komm ich morgen – also ich bin meistens zu spät. Aber gleichzeitig bin ich auch motiviert und ambitioniert. Ich hoffe, ich habe das Beste aus beiden Welten zumindest so ein Stück weit mitbekommen.

Deine Heimat Duisburg-Marxloh hat den Ruf, ein Problemviertel zu sein. War deine Jugend ein hartes Pflaster? 

Ich weiß nicht, ich kenne ja nichts anderes! Man muss halt seinen Mann stehen. Manchmal musst du was sagen und manchmal besser den Schwanz einziehen. Du musst schnell sein, schnell im Kopf, und dich durchsetzen können. Das hat mich schon geprägt, für das zu kämpfen, was ich will, und nie wieder loszulassen. Denn ich will, dass es für mich nie wieder so wird wie früher.

Muss ein Duisburger Junge heute immer noch Fußball spielen, um akzeptiert zu werden?

Ja, hundert Prozent! Das zeigt immer noch den soziometrischen Status eines Jungen, wie gut man kicken kann. Zum Glück bin ich ein brutal guter Fußballer, sodass ich immer unter den ersten war, die im Sportunterricht gewählt wurden. Aber auch im Völkerball, Tennis oder Leichtathletik war ich immer gut. Ich hab auch Hochfußball gespielt, das kann man auch nur dazu, dann wenn so Spielermannschaften waren, wurd ich auch immer war ich einer der begehrtesten Mitspieler. Ich hab lange Stürmer gespielt und dann irgendwann im Mittelfeld und dann ganz zum Schluss Verteidiger.

Später bist du dann im Fernsehen Publikumsliebling in der Tanzshow Let’s dance geworden – sollten Männer mehr tanzen?

Tanzen wird total unterschätzt! Dabei ist das für einen Mann mit Abstand der beste Sport, weißt du wieso? Weil kein Mann das macht! Wenn du also wirklich keine Ahnung hast, wie man Frauen ansprechen soll, dann geh tanzen!

Und muss der Mann heutzutage auf der Tanzfläche noch immer führen?

Ja, ja, das musst du schon. Du musst dich bewegen können und die Frau in die richtige Position bringen können. Es gibt eben so einige Qualitäten, die finden Frauen immer noch attraktiv: Wenn man weiß, was man will, oder wenn du schnell auf den Punkt kommst, und nicht lange drumherredest. Ich glaube, das sind so Qualitäten, die werden nie aus der Mode kommen. Was früher wahrscheinlich nicht so groß war, war diese Empathie und dieses auch nett sein und zuhören können und so. Aber heute ist das so: Ich bin aufmerksam, geb mir Mühe, wenn ich eine Frau treffe. Meiner Oma war immer wichtig, dass ich ein Stück weit ein Gentleman bin.

Meine Ruhrpott-Omma meinte immer, ich soll ein „Kavalier“ sein…

Ja genau! Also ich will jetzt nicht Frank Sinatra darstellen und den ganzen Tag im Anzug rumlaufen, aber wenn ich eingeladen bin, weiß, da sind ältere Frauen, die ich nicht kenne, dann kauf ich einen Strauß Blumen, um mich vorzustellen. Ich halte Frauen auch immer die Tür auf, wenn es geht. Das sind einfach Qualitäten, die man haben sollte als Mann – sonst ist man einfach nur ein Kind.

Als Kavalier läuft es auch als kleiner gewachsener Mann gut mit den Frauen?

Ich hab auch Mädchen schon gedatet, die waren, watt weiß ich, 1,80 groß. Die haben mich dann in den Arm genommen und wir sind über Straße gelaufen, mich juckt das alles nicht: Egal wie groß du bist, zieh dir sogar noch High Heels an! Mit mir im Arm sieht man immer besser aus. (lacht) Länge hat nix mit Größe zu tun! Es ist auch Quatsch, wenn man sagt, Frauen stehen auf großen Männer. Es kommt darauf an, wie groß du in deiner Persönlichkeit bist. Und naja, ich hab halt auch noch das Glück, zusätzlich noch witzig zu sein.

Zunächst hattest du Ernährungswissenschaften studiert, dann aber abgebrochen, um lieber Witze zu erzählen. Wie kam das? 

Das war eigentlich so eine Schnapsidee während Corona. Ich kann eigentlich gar nichts, bin jetzt auch kein brutaler Student gewesen. Dann kam Corona und wir saßen mit den Jungs am Rhein und ich hab gesagt: Ey, ich weiß nicht, was ich machen soll, ich hab keine messbaren Skills und keine Interessen! Da meinte mein Kumpel Hasan, von dem ich ja in meinen Shows oft erzähle: Tony, erzähl doch Jokes, du bist doch witzig!

Hör auf, so einfach wird doch keiner ein Bühnenstar. Wie ging das weiter?

Die Bühnen waren eh alle geschlossen, also habe ich mein Leben runtergeschrieben und daraus so anderthalb Stunden Programm gemacht. Damit bin ich dann zu meinen Jungs gegangen und habe vor jedem einzelnen anderthalb Stunden Comedy gemacht. Die haben mir dann Feed­back gegeben, und dann habe ich irgendwann vor Bekannten von Bekannten gespielt und dann vor den Großeltern und auf einmal bin ich während Corona mit meinem Corsa durch die Weltgeschichte getingelt ohne Geld und hab dann vor fremden Leuten in den Wohnzimmers Comedy gemacht. Und wenn da keiner gelacht hat, hat halt keiner gelacht. Dann bin ich nach Hause gefahren, hab wieder neu geschrieben und den nächsten Tag wieder von vorne.

„Während Corona bin ich in den Wohnzimmers aufgetreten. Und wenn keiner gelacht hat, dann hat keiner gelacht.“

Ein junger Comedian steht auf einer Bühne mit einem Mikrofon in der Hand. Er trägt ein gemustertes, helles Set aus Jacke und Hose. Im Hintergrund ist ein blauer Vorhang mit Sternenmustern zu sehen, der an eine Galaxie erinnert. Neben ihm steht ein Hocker mit einem zusammengefalteten Fallschirm-Rucksack darauf, von dem ein Kabel zum Mikrofon führt. Der Künstler spricht mit ausdrucksvoller Mimik ins Mikrofon, die rechte Hand in die Hüfte gestemmt.

Inzwischen trittst du vor Tausenden Zuschauern auf. Musst du dich da bei deinen Witzen jetzt mehr zurückhalten? 

Ich glaube, dass man immer noch über alles Witze machen kann. Du musst nur eine klare Haltung zeigen und die Emotionslage deines Publikums verstehen. Die Prämisse muss klug sein und die Punchline verständlich. Dann kannst du Witze machen über Männer, über Frauen, über Benachteiligte. Nie plump, sondern am besten, indem du über dich selber lachst.

Deine „Spaß Ävengers“ sind alle Comedians mit Handicap. Was bedeutet dir dieses Projekt? 

Wir wollen zeigen, dass wir alles genauso gut können wie die anderen oder sogar noch besser. Denn selbst wenn der liebe Gott dir keine guten Karten ausgespielt hat, kann man rausgehen, sich welche klauen und so spielen, als hätte man einen Haufen Asse auf der Hand!

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Denkt man eigentlich mit 29 ans Altern, wenn man schon mit zwölf totgesagt wurde? 

Darüber mache ich mir kaum Gedanken, ich geb’ einfach Gas. Am Ende schreiben wir alle ein Buch, und wir sollten versuchen, dieses Buch mit schönen Erinnerungen zu füllen. Und im besten Fall klappen wir am Ende das Buch zu und sagen: Alter, war das ’n geiler Ritt!

Durchstarter

Von null auf hundert

Plakatmotiv der Live-Tour von Comedian Tony Bauer. Vor einem galaktischen Hintergrund mit Sternen ist Tony Bauer in einem hellen Outfit mit Fallschirm-Rucksack zu sehen, als würde er durch den Weltraum springen oder fallen. Über ihm steht in großen Buchstaben sein Name: ‚Tony Bauer‘. Darunter der Tourtitel: ‚Fallschirm Springer‘ in dynamischer, handschriftartiger Schrift. Unten im Bild stehen die Worte ‚Live Tour‘ sowie Social-Media-Icons, eine Website-Adresse (tonybauer.de) und ein QR-Code für Tickets

Tony Bauer hatte seinen ersten größeren Auftritt in der Nachwuchs-Comedy- Show „Nightwash“ auf RTL 2, dann stand er 2022 vor rund 13.000 Zuschauern bei der 1Live Köln-Comedy- Nacht. Noch 2020 war er komplett unbekannt, heute füllt er mit seinen Ruhrpott-Storys ganze Stadien. Mit seinem aktuellen Programm „Fallschirmspringer“ tourt er noch bis Anfang Dezember durch Deutschland. 

Im Fernsehen wurde Bauer zunächst in der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“ bekannt. Obwohl er zum Publikumsliebling avancierte, musste er ausscheiden, nachdem er aufgrund seiner Krankheit auf 45 Kilogramm abgemagert war. Später gehörte er zur Jury bei der RTL-Show „Das Supertalent“. 

2024 erhielt Bauer den Deutschen Comedypreis als „Bester Newcomer“. 

Von null auf hundert Alle Infos und Termine: www.tony-bauer.de

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