Mobile Moderatorin im Panikmodus
Unsere Kolumnistin liebt es, beruflich oft unterwegs zu sein. Es sei denn, sie hat ihre Moderationskarten vergessen oder eine Laufmasche in der Strumpfhose.
Lesen Sie diese Kolumne, wenn Sie mit Humor und Selbstironie erfahren möchten, wie chaotisch, komisch und menschlich das Leben einer vielreisenden Moderatorin wirklich ist.
Oh nein! Mein Adrenalin schießt in die Höhe. Während ein Mann namens Matze im stickigen ICE neben mir versucht, in einer ständig abbrechenden Zoom-Konferenz über die Zielmarker des kommenden Jahres fürs Marketing zu sprechen, finde ich meine digitalen Moderationskarten nicht. Sie sind einfach weg. Weder auf dem Tablet noch in der Cloud. In drei Stunden soll ich auf einer Bühne stehen und professionell durch eine Veranstaltung führen, von der ich nichts mehr im Kopf habe.
Hektisch tippe ich an meinen Mann: „Ruf mich an, wenn du noch zu Hause bist – bitte sei noch zu Hause!“ Drei Sekunden später ist er am Telefon. „Geh an meinen Laptop, das Passwort kennst du noch, oder?! Also bitte: aufmachen, Ordner ‚Moderationen‘, die aktuellste Datei – und mir sofort per Mail schicken!“ So ausdauernd wie der Duracell-Hase aktualisiere ich danach meinen E-Mail-Eingang, bis die Karten endlich auftauchen. Ein fixes „Danke!“ geht an den Mann.
Matze hat derweil den Kampf gegen das Bahn-WLAN verloren. Er schwitzt und schüttelt müde den Kopf. Ha! Mir kann dagegen jetzt nix mehr passieren, denke ich. Mein Problem ist abgewendet. Ich bin hochprofessionell. Als ich später für den Soundcheck verkabelt werde, sagt Oli vom Ton lapidar: „Ich glaube, du hast hinten eine Laufmasche am Bein.“ Ich liebe das Unterwegssein. Wirklich. Ich arbeite gern an verschiedenen Orten, mit unterschiedlichen Menschen und immer für mich: so auf die Bühne und wieder runter zu kommen, dass mich niemand von hinten sieht. Ich kann die Laufmasche förmlich spüren, bewege mich extrem angestrengt seitwärts, um mich nicht drehen zu müssen.
Natürlich hätte ich eine Ersatzstrumpfhose dabeihaben können. Aber ich war ja auch sicher, die Moderationskarten an Bord zu haben. Und wer – wie ich – mit 1,38 Meter Körpergröße mobil ist, packt so leicht wie möglich. Trotzdem: Notstrumpfhose in jeden Rucksack und Koffer, notiere ich innerlich. Auf dem Rückweg kleckere ich dann auch noch die Sauce von der Currywurst aus dem Bordrestaurant auf meinen Rock. Na, passt doch zur Laufmasche. Ab jetzt: richtig Punk.
Als ich fleißig versuche, unterwegs noch ein paar Mails zu beantworten, verzweifle ich schließlich selbst am Internetempfang im Jahr 2025 und schicke gedanklich Grüße an den mir unbekannten Matze. So viele Selbstständige in meinem Umfeld schwärmen, wenn ich sage, dass ich viel Zug fahre: „Unterwegs kann man so gut arbeiten.“ Ich kenne deren Bürosituation nicht, aber mein Unterwegs ist dank Mitreisenden und Funklöchern das Gegenteil von produktiv.
Dann klingelt mein Telefon. „Ich bin zu Hause, Mama“, sagt das Kind. „Ich mache mir jetzt einen Snack und spiele dann.“ Die mobile Mama freut sich. Immerhin einer, der mit den Umständen des modernen Lebens bestens zurechtkommt.
Nina LaGrande
Die kleinwüchsige Moderatorin, Autorin und Podcasterin lebt mit Mann und Kind in Hannover. Mit ihrer Arbeit setzt sie sich auch für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein.
Ninia auf Instagram:
@ninialagrande