Die Welt-Klasse
Dolmetschen, übersetzen, erläutern: Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund arbeitet ein 28-köpfiges Übersetzungsteam an der internationalen Verständigung.
Der Artikel ist lesenswert, weil er zeigt, wie die Deutsche Rentenversicherung international zusammenarbeitet und wie Übersetzende den reibungslosen Austausch wichtiger Rentenunterlagen ermöglichen. Er gibt zudem einen Einblick in die Menschen und Abläufe, die hinter diesen komplexen Prozessen stehen.
Die Situation ist folgende: In einem Konferenzraum des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in Berlin sitzen sechs Personen, vier weitere werden auf einem großen Videoscreen an der Wand zugeschaltet. Diese zehn sind Vertreter verschiedener Träger der Deutschen Rentenversicherung. Sie sprechen deutsch. An der Besprechung nehmen über den Bildschirm zudem zehn weitere Personen teil. Sie sitzen in Madrid, Spanien, und sind Vertreter der spanischen Rentenversicherung sowie des spanischen Ministeriums für Inklusion, Soziale Sicherheit und Migration. Sie sprechen spanisch.
Michaela Runge sitzt ebenfalls im Konferenzraum. Sie ist für das Dolmetschen der Sprachrichtung Spanisch-Deutsch und umgekehrt zuständig. Gemeinsam mit einer Kollegin dolmetscht sie, worüber die 20 Personen miteinander sprechen. Das macht sie „konsekutiv“, hört sich also zunächst die Aussage in der Ausgangssprache an und macht sich Notizen, um sie dann zeitversetzt in der Zielsprache wiederzugeben. Inhaltlich geht es um die Verbesserung des digitalen Austauschs zwischen Spanien und Deutschland, so um die automatisierte Übersendung von Versicherungsverläufen. Ein komplexes Thema. Auch als die Situation unübersichtlich wird, als es technische Probleme mit der Übertragung gibt und viele Teilnehmende durcheinandersprechen, müssen die beiden Dolmetscherinnen Ruhe bewahren.
Michaela Runge ist Mitarbeiterin des Übersetzungsteams, das aus 28 Übersetzerinnen und Übersetzern der DRV Bund besteht und Übersetzungen für 14 Sprachen vornimmt. Dies betrifft sowohl die gängigen mitteleuropäischen Sprachen als auch seltenere Sprachen wie Ungarisch, Rumänisch, Hebräisch. Zu den Festangestellten kommen noch etwa 70 freiberufliche Übersetzende. „Wir sind Dienstleister für die Sachbearbeitung mit Auslandkontakt“, erläutert Teamleiterin Silvia Petrovic. Das Alltagsgeschäft des Teams ist die Übersetzung von Unterlagen, die in der jeweiligen Landessprache ausgestellt sind. Das sind im Rahmen der Antragsbearbeitung zum Beispiel Nachweise über Versicherungszeiten, Urkunden und Zeugnisse, aber auch Rentenbescheide, Einkommensteuerbescheide und medizinische Gutachten für Erwerbsminderungsrenten müssen übersetzt werden. EU-Mitgliedstaaten oder Länder, mit denen die Bundesrepublik Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen hat, erkennen gegenseitig Nachweise an.
Übergreifende Ausbildung
Für das Dolmetschen bei dem Treffen Anfang September, an dem Michaela Runge teilnahm, ist ebenfalls das Übersetzungsteam zuständig. „Dolmetschen und Übersetzen sind zwei unterschiedliche Tätigkeiten“, so Silvia Petrovic. Alle Übersetzerinnen und Übersetzer bei der DRV Bund haben ein abgeschlossenes Studium und die meisten dolmetschen zudem. Sie unterstützen die Sachbearbeitung bei internationalen Beratungstagen und reisen auch mit Delegationen ins Ausland. Sie müssen sich mitunter in Themengebiete einarbeiten, die nicht in ihrem Alltagsrepertoire vorkommen, wie im Eingangsbeispiel. Wenn es mal informell zugeht, müssen sie auch Gespräche über Golf und Fußball dolmetschen.
Sina Fischer ist Kollegin von Michaela Runge, eine erfahrene Übersetzerin und Dolmetscherin für Französisch sowie Portugiesisch und seit vielen Jahren bei der DRV Bund beschäftigt. Sie hat die Digitalisierung ihrer Branche von der Pike auf mitgemacht. Natürlich nutzt sie neben dem klassischen Wörterbuch Online-Übersetzungsprogramme, auch solche, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten. Damit hat Sina Fischer schon lustige Dinge erlebt. Sie erzählt, wie ein französisches Dokument vom Programm als „Starkes-Tür-Zertifikat“ bezeichnet wurde. „Wörtlich übersetzt war das richtig. Beim Dokument handelte es sich aber um eine besondere Vollmacht, etwa für eine Erbengemeinschaft. Man muss halt wissen, wozu es dient, und es sinnübergreifend sowie kontextbezogen übersetzen können.“
Hier zeigt sich anschaulich die eigentliche Leistung der Übersetzerinnen und Übersetzer. Sie müssen verstehen, worum es inhaltlich in den Texten und Dokumenten geht, müssen die verschiedenen Sozialversicherungsund Rechtssysteme kennen, landesspezifische Ausdrücke und Fachbegriffe verstehen und Texte unter Berücksichtigung des konkreten Auftrags dem wesentlichen Inhalt nach übersetzen können. „Maschinell übersetzte Texte sollten immer von einem Profi überprüft werden“, betont Sina Fischer. Was dann mehr Arbeit bereitet – die Revision eines Textes oder dessen Neuübersetzung –, ist nicht ausgemacht.
Sorgen, dass ihr Job bald von einer KI übernommen wird, haben weder Michaela Runge noch Sina Fischer. Sie wissen, wo die Grenzen von digitalen Übersetzungsprogrammen liegen und dass Dolmetschen und Übersetzen immer noch ein gefragter Beruf ist, der so bald nicht aussterben wird.
Sprachen der hauptamtlichen Übersetzer
Bulgarisch
Englisch
Französisch
Hebräisch
Italienisch
Niederländisch
Polnisch
Portugiesisch
Rumänisch
Russisch
Slowakisch
Spanisch
Tschechisch
Ungarisch