Beratung in Barcelona
Seit vielen Jahren bietet die Rentenversicherung die Internationalen Beratungstage an. In Barcelona trafen die deutschen Berater auf ihre spanischen Kollegen – und auf viele Versicherte, die in verschiedenen Ländern gearbeitet haben.
Lesen Sie den Artikel und erfahren Sie, wie die Deutsche Rentenversicherung und ihre spanischen Partner gemeinsam beraten – direkt vor Ort in Barcelona. Der Beitrag zeigt, wie Menschen mit Arbeitsjahren in mehreren Ländern ihre Rentenansprüche klären können und warum die internationalen Beratungstage für viele der Schlüssel zu einem sorgenfreien Ruhestand sind.
Katalanische, spanische und deutsche Stimmen mischen sich an diesem Dienstagmorgen durcheinander. Während draußen langsam die ersten Rollläden vor den Geschäften nach oben rattern, Bodegas und Cafés ihre Türen öffnen, herrscht im Inneren des sechsstöckigen Verwaltungsblocks bereits geschäftiges Treiben. Hier in Gràcia, einem angesagten Stadtviertel Barcelonas, liegt zwischen gemütlichen Gassen und schicken Häusern aus Zeiten des Katalanischen Modernismus das Amt der spanischen Sozialversicherung, das Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS).
In einem seitlich gelegenen Raum im Erdgeschoss des Gebäudes sitzen heute neben drei Mitarbeitern der INSS auch drei Kollegen der Deutschen Rentenversicherung an einem langen Tisch und beraten Arbeitnehmer und künftige Rentner. Sind die Fragen der Ratsuchenden zum deutschen Recht beantwortet, können sie direkt zu den spanischen Renten-Experten weitergehen.
Da ist zum Beispiel die 64-jährige Hamburgerin, die jetzt am Schreibtisch von Björn Pagers Platz nimmt, einem Berater der Deutschen Rentenversicherung. Annette Fischer*, die ihren echten Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, kam vor über 30 Jahren nach Barcelona, um am Goethe-Institut Deutsch zu lehren. Davor hatte sie ein Philosophie- und Germanistikstudium abgeschlossen und dann Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Eigentlich wollte sie damals an ein Gymnasium wechseln, „die Lage am Arbeitsmarkt war jedoch aussichtslos“, erzählt sie dem Berater. Gleichzeitig wurden vor den 1992 anstehenden Olympischen Spielen in Barcelona Sprachlehrer gesucht.
„Hier waren die Arbeitsverhältnisse nicht so geregelt wie in Deutschland.“
Annette Fischer*, Autorin und Deutschlehrerin
* Name von der Redaktion geändert
Andere Länder, andere Verträge
„Hier waren die Arbeitsverhältnisse aber nicht so geregelt wie in Deutschland“, erinnert sich Fischer. Während ihre älteren Kollegen am Goethe-Institut noch nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) bezahlt wurden, war Fischer stets zu ortsüblichen spanischen Verträgen angestellt. Nebenbei unterrichtete die Wahlspanierin einige Jahre an der Deutschen Schule, schrieb einen Krimi und veröffentlichte ein Kinderbuch.
Um das Thema Rente machte sie sich damals noch keine großen Gedanken: „Ich war jung und habe mich darum nicht gekümmert.“ Heute hofft sie, dass sie inzwischen lange genug in die Rentenkasse eingezahlt hat, um bald in den Ruhestand zu gehen.
Zunächst wird sie über ihre Ansprüche aus Deutschland aufgeklärt: Schul- und Studienzeiten werden ihr angerechnet, da während ihres Referendariats sowie der nachfolgenden Beschäftigung an der Sprachschule in Hamburg Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden. Und sie erfährt den Zeitpunkt, ab wann sie ihre deutsche Rente beantragen kann.
Anschließend wechselt sie zu einem Kollegen der spanischen INSS. Denn an ihrem spanischen Wohnort wird sie ihren Rentenantrag am Ende stellen, trotz ihrer deutschen Herkunft: Wer in einem Land lebt, in dem das Europarecht gilt oder mit dem Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat, kann seinen Rentenantrag bei der örtlichen Rentenversicherung stellen. Diese Regelung gilt für jedes Land der EU, und ebenso für Island, Liechtenstein, Norwegen, die Schweiz und weitestgehend auch für Großbritannien. Hinzu kommen noch die deutschen Sozialversicherungsabkommen mit 21 weiteren Staaten.
Ihre deutsche Rente kann Fischer bereits ab dem kommenden Jahr beantragen. Aus Spanien, wo das gesetzliche Renteneintrittsalter momentan stufenweise angehoben wird, bekommt sie ihre abschlagsfreie Rente erst ein paar Monate später. „Es ist wichtig, dass es diese Beratungstage gibt“, sagt Fischer. Das zeigt auch die große Nachfrage nach einem Zeitfenster für die Beratung.
Mittlerweile gibt es die Internationalen Beratungstage in Barcelona schon seit 20 Jahren, zusätzlich finden sie jedes Jahr allein in Spanien an bis zu 14 verschiedenen Orten statt. Auch in vielen anderen assoziierten Ländern bietet die Deutsche Rentenversicherung Termine zur Auskunft und Beratung an, vor allem in Europa, aber auch in der Türkei. Je nach Interessentengruppe können dann auch Vertreter von Rentenversicherungen anderer Länder oder anderer Institutionen, wie zum Beispiel der Krankenversicherung, mit vor Ort sein.
Sprachkenntnisse als Türöffner
Björn Pagers von der Deutschen Rentenversicherung bietet seine Unterstützung an, seit es die Beratungstage gibt. Da er Spanisch und Portugiesisch spricht, zieht es ihn häufig auf die Iberische Halbinsel. „Spanisch habe ich mal in der Schule gelernt“, erzählt der 54-Jährige, „und als damals Berater gesucht wurden, die das betreuen, habe ich mich gemeldet.“ Anfangs war er noch ausschließlich als Berater eingesetzt, seit 2005 organisiert er die Beratungstage auch mit. „Seitdem geht ein Großteil meiner E-Mails auf Spanisch raus“, sagt er. Der intensive Kontakt helfe auch über die Beratungstage hinaus, Fragen zu klären und Probleme zu lösen– auch mal telefonisch auf dem kurzen Dienstweg. „Und natürlich hält das zudem die Sprache am Leben.“
Am intensivsten ist der Austausch mit den spanischen Kollegen an den Beratungstagen selbst. Davon profitieren die Versicherten, „weil sie beide Informationen auf einen Schlag kriegen und sich zu beiden Sozialversicherungsabkommen informieren können“, sagt Pagers. „So kann man die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede viel leichter nachvollziehen, als wenn man erst ein paar Tage oder Wochen später zu den spanischen Beratern gehen würde. Wir bieten eine Beratung aus einem Guss.“ Allein im Jahr 2024 reiste Pagers dafür fünf Mal nach Spanien oder Portugal.
Beratungsbüros in Grenznähe
In Deutschland wohnen und jenseits der Landesgrenze arbeiten, ist glücklicherweise kein Problem, wirft aber dennoch viele Fragen auf. Entlang der niederländischen und belgischen Grenze hilft beispielsweise der „GrenzInfoPunkt Aachen-Eurode“ mit telefonischen oder persönlichen Beratungen und Sprechtagen – sogar bei der Arbeitssuche. Wer in die Schweiz pendeln möchte, ist unter anderem beim „Grenzgänger Info Verein“ richtig. Dort können Interessierte sich beraten und auch den Nettolohn eines Stellenangebots ausrechnen lassen. Ähnliche Angebote sind auch in anderen Grenzregionen zu finden.
Ein halbes Leben in Deutschland
Dabei ist die Mischung der Ratsuchenden so unterschiedlich wie die Orte selbst. Auf Mallorca oder Ibiza etwa, wo die Beratungstage regelmäßig im Juni stattfinden, kommen fast ausschließlich Deutsche, die ihre Rente auf einer der Mittelmeerinseln verbringen. In Barcelona hingegen sind es vor allem Spanier, die nur einen Teil ihres Arbeitslebens in Deutschland verbracht haben.
„Nach 36 Jahren in Deutschland bin ich zurück nach Spanien gezogen.“
Carmen Conde-Bilbao,
Betriebswirtin und Informatikerin
Eine von ihnen ist Carmen Conde- Bilbao. Sie lebt in Spanien und steht heute kurz vor der Rente, hat aber die Hälfte ihres Lebens in Deutschland gelebt. Erst im Alter von 38 Jahren kehrte sie in ihr Heimatland zurück. Als Zweijährige kam sie nach Mainz, wo sie nach der Schule eine Ausbildung zur Speditionskauffrau absolvierte. Anschließend studierte sie in Worms und Stuttgart Betriebswirtschaft und Informatik. In Deutschland brachte sie auch ihre Tochter zur Welt. Irgendwann aber wollte sie zurück: „Ich habe das Wetter nicht vertragen.“ Also ging sie vor 24 Jahren wieder zurück in den Süden, nach Barcelona „wegen der Jobmöglichkeiten und der Deutschen Schule“.
Zu den Beratungstagen ist sie gekommen, um sich über den genauen Zeitpunkt zu informieren, wann sie abschlagsfrei in Rente gehen kann. Sobald es so weit ist, will sie zurück nach Deutschland ziehen – in die Nähe ihrer Tochter, die es nach dem Schulabschluss zurück in ihr Geburtsland gezogen hat.
Daten & Fakten
Internationale Beratungstage
Wann kann ich in Rente gehen? Wie stelle ich einen Rentenantrag? Wie hoch wird meine Rente sein? Gemeinsam mit ihren ausländischen Kollegen beantworten die Vertreter der Deutschen Rentenversicherung regelmäßig auch im Ausland kostenfrei und persönlich Fragen zum nationalen und internationalen Rentenrecht. Dabei erörtern sie, wie sich das europäische Recht auf die eigene Rente auswirkt, wann und wo man die deutsche oder ausländische Rente beantragt oder was man beachten muss, wenn man eine Beschäftigung im Ausland aufnimmt und wie sich das auf die Rente auswirken kann. Alle Termine, die Möglichkeiten zur Anmeldung sowie weitere Informationen zu den Internationalen Beratungstagen gibt es online oder auch telefonisch.
Termine für Internationale Beratungstage finden Sie online unter:
Mal hier, mal dort, aber immer versichert
Etwas komplizierter ist der Fall von Friedolin Indorf. Der 66-Jährige stammt ursprünglich aus Bremen und hatte als junger Mann einige Jahre als Klempner in Berlin gearbeitet – bis er im Urlaub eine Spanierin traf. 1995 zog er dann zu ihr. Rund 35 Kilometer südwestlich von Barcelona haben die beiden gemeinsam ein Haus in Sitges gebaut. Zunächst fand Indorf dort wieder Arbeit als Klempner, zwei Jahre später unterschrieb er einen Vertrag bei einem großen Bauunternehmen in Barcelona.
Doch 2008 starb seine Lebensgefährtin, im Jahr darauf verlor er im Zuge der Finanzkrise auch noch seine Arbeit. Einige Jahre musste er mit dem Arbeitslosengeld auskommen. Dann verkaufte er 2017 das Haus und ging für ein paar Monate zurück nach Deutschland, wo er in Halle in Sachsen-Anhalt für ein spanisches Bauunternehmen Wohnungen sanierte.
Heute lebt Indorf wieder dauerhaft in Spanien, wo er regelmäßig Jobs annimmt, die das Arbeitsamt vermittelt. „Vor Kurzem habe ich dann ein Schreiben aus Berlin mit den Terminen für die Internationalen Beratungstage bekommen“, erzählt er. „Ich bin total froh, dass es das gibt und dass ich hergekommen bin.“ Er habe sich zuvor unnötig Sorgen gemacht, dass die Frist für seinen Rentenantrag seit einigen Wochen verstrichen sei, sagt er. „Die Rente bekomme ich zwar nun leider nicht mehr rückwirkend, dafür aber einen kleinen Zuschlag – Hauptsache, ich kann das jetzt regeln.“
Wie er heute erfährt, kann er die Rente aus Deutschland nämlich sofort beantragen – und füllt bei den Mitarbeiterinnen der INSS direkt die nötigen Formulare aus. Auch der digitale Antrag hatte ihm etwas Kopfzerbrechen bereitet, doch hier ist das auch auf Papier möglich. Zwei Wochen später soll er noch einmal wiederkommen, um seine Rente aus Spanien dann endgültig zu beantragen.
Das Publikum wird jünger
Doch nicht nur Rentnerinnen oder ratsuchende Versicherte, die kurz vor dem Rentenbeginn stehen, lassen sich heute in Barcelona beraten. „Das Interesse bei Jüngeren wird immer größer, sie wollen auch wissen, was sie für ihre Altersvorsorge tun können“, sagt Björn Pagers. „Gerade in Deutschland ist da ja mittlerweile schon viel möglich, mit Ausgleichszahlungen, freiwilligen Zusatzzahlungen und dergleichen.“ Viele junge Menschen wollten heutzutage frühzeitig alles klären und die Daten der verschiedenen Arbeitsländer aufbereitet haben, um im Alter nicht mehr so viel damit zu tun zu haben.
„Ich habe mich bei der Rentenversicherung sehr gut beraten gefühlt.“
Bastian Dahm,
E-Commerce-Experte
So auch Bastian Dahm. Der 43-Jährige stammt aus Leverkusen und hat in den vergangenen Jahren schon mehrfach in Barcelona gearbeitet. Er nutzt die Internationalen Beratungstage, um sich rechtzeitig zu informieren, ob alle seiner deutschen und spanischen Arbeitsjahre sowie alle Kindererziehungszeiten korrekt erfasst sind. „Ich will, typisch deutsch, sicherstellen, dass alles erfasst ist“, sagt er. Von 2006 bis 2012 hat er in Spanien gearbeitet, mit lokalen Arbeitsverträgen. „Bei meiner Rückkehr nach Deutschland habe ich mir von der Rentenversicherung die Zeiten anrechnen lassen. Das wurde alles meinem Rentenkonto gutgeschrieben.“
Vor eineinhalb Jahren hat er schließlich einen festen Arbeitsvertrag in Barcelona unterschrieben und seinen Wohnsitz dauerhaft nach Spanien verlegt. „Ich habe mich sehr gut beraten gefühlt“, sagt Dahm, „bisher konnte man bei der Rentenversicherung immer alle meine Fragen beantworten.“
Nach zwei Tagen beenden die Experten der deutschen und spanischen Rentenversicherungen die Beratungstage in Barcelona. Und während in den Bars und Bodegas von Gràcia das Leben pulsiert, gehen im INSS die Lichter aus. Für Björn Pagers und seine Kollegen ist aber nur für heute Schluss: Schon am nächsten Morgen werden sie im Schnellzug nach Madrid sitzen, wo bereits die nächsten Internationalen Beratungstage ihre Türen öffnen.