Immer schön beweglich bleiben
Der Wunsch nach mobilem Arbeiten ist weiterhin hoch. Freelancer ebenso wie Angestellte nutzen die Freiheit des grenzenlosen Büros. Doch das Homeoffice fernab der persönlichen Begegnungen hat auch seinen Preis.
Erfahren Sie, wie flexibles Arbeiten über Ländergrenzen hinweg Ihre berufliche Freiheit erweitert – und was Sie dabei für Ihre soziale Absicherung und Rente beachten sollten. Dieser Artikel zeigt anhand spannender Beispiele, wie mobiles Arbeiten funktioniert, welche Regeln im Ausland gelten und wie Sie trotz Workation oder Homeoffice auf Kreta weiter sicher in die Zukunft investieren.
Die Bucht geformt wie ein Halbmond, der Strand aus feinen Kieseln und im Hintergrund imposante Felsgrotten, die bei Aussteigern sehr beliebt sind. In den 1970er-Jahren galt Matala als Reiseziel der Hippie-Szene. Für Claudia Kube ist das Städtchen im Süden Kretas heute ebenfalls ein Sehnsuchtsort – wenn auch aus anderen Gründen. Viele Jahre verbrachte sie ihre Urlaube dort, bis sie den Mann ihres Herzens kennenlernte. „Danach hatte ich den Wunsch, hier noch mehr Zeit im Jahr zu verbringen“, sagt die 52-Jährige. Doch alle Zelte abbrechen – das wollte die Versicherungsexpertin nicht. „Für mich war es wichtig, weiter angestellt zu sein und in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen.“
Vor vier Jahren wechselte sie deshalb ihre Stelle und begann als Risikomanagerin bei Trusted Shops, einem Unternehmen, das Gütesiegel für Onlinehändler anbietet. Digitale Verbindungen prägen dort auch den Arbeitsalltag. Die Mitarbeiter müssen nur selten zum Firmensitz in Köln kommen. Stattdessen dürfen sie überall in Europa im Homeoffice arbeiten. Für die Bonnerin ein schlagendes Argument. Sie bewarb sich und bekam einen festen Arbeitsvertrag. „Darin steht ausdrücklich, dass ich meinen Arbeitsort in Europa frei wählen darf.“
Heute lebt sie von März bis Juni und von September bis November auf Kreta. Ihre Altbauwohnung in Bonn hat sie gekündigt und ist in eine günstigere Bleibe umgezogen. Denn nur so konnte sie sich zusätzlich ein Häuschen auf der griechischen Mittelmeerinsel leisten.
„Für mich war es wichtig, weiter in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen.“
Claudia Kube (52),
Risikomanagerin auf Kreta
Flexible Arbeitsorte sind möglich
Claudia Kube verkörpert einen Trend, der sich bei Menschen, die am Computer arbeiten, zunehmender Beliebtheit erfreut. An exotischen Orten arbeiten, dem Tausende Kilometer entfernten Partner nahe sein oder einfach mit den digitalen Zugangsdaten im Gepäck bei den pflegebedürftigen Eltern nach dem Rechten sehen – so stellen sich viele ihren idealen Arbeitsalltag vor.
„Der Wunsch nach Homeoffice ist ungebrochen hoch“, heißt es in einer Studie der Universität Konstanz. Seit mehr als fünf Jahren führt das Autorenteam Erhebungen durch und fragt 700 repräsentative Beschäftigte aus der deutschen Erwerbsbevölkerung, an wie vielen Tagen der Woche sie gern im Homeoffice arbeiten würden. In der Pandemie waren es drei Tage, im Jahr 2024 fiel der Wert auf 2,64 Tage. Doch im März dieses Jahres stieg die Zahl wieder deutlich an und liegt nun bei 2,77 Tagen.
Die Studie macht aber auch deutlich: Zu viel Zeit im Homeoffice kann problematisch sein. Die Mischung macht’s. Die überwältigende Mehrheit äußert den Wunsch nach einem hybriden Modell. Das heißt, sie wollen sowohl im Büro als auch von zu Hause oder von einem anderen Ort aus arbeiten. Nur 19 Prozent möchten ausschließlich im Homeoffice arbeiten und sechs Prozent immer ins Büro gehen.
Der Wunsch nach Homeoffice ist weiter hoch – der Trend zu verstärkter Präsenz nimmt langsam wieder zu.
Quelle: Uni Konstanz/Handelsblatt-Umfrage
Junge Leute zieht es am häufigsten ins Büro. Ihr Homeoffice-Anteil beträgt nur 11 Prozent, wie eine aktuelle Studie des Statistischen Bundesamtes zeigt. Der höchste Anteil ist in der Altersgruppe der 33- bis 45-Jährigen zu finden – der Lebensphase also, in der die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein großes Thema ist.
Das Arbeiten von zu Hause aus hat seinen Preis. Nicht nur die Grenzen zwischen Büro und Privatleben, auch die zwischen Urlaub und Arbeit verwischen. Manche Arbeitgeber erlauben „Workation“: tagsüber arbeiten und abends und am Wochenende am Strand liegen. Bis 2024 haben zudem bereits mehr als 65 Länder VisaProgramme für digitale Nomaden angeboten. Untersuchungen der Berliner Hochschule Hertie School belegen, dass dieser Trend in den letzten zehn Jahren geradezu explodiert ist. Doch die „Wanderarbeiter“ mit ihren guten Einkommen und ihrer Kaufkraft lösen nicht nur Begeisterung in ihren Gastländern aus. Sie werden ebenso wie Touristen für steigende Mieten, knappen Wohnraum und hohe Lebenshaltungskosten verantwortlich gemacht.
Informationen
Den Arbeitsweg einsparen
Je kürzer der Arbeitsweg, desto weniger Beschäftigte nutzen das Homeoffice: Bei unter fünf Kilometern sind es nur 13,9 Prozent.
Bei einer Entfernung von mehr als 50 Kilometern sind es dagegen 42,2 Prozent.
Quelle: Statistisches Bundesamt, 2025
Geschäftsleute haben den Trend erkannt und bieten mittlerweile Ferienunterkünfte auf Bali oder Madeira an, in denen es schnelles Internet gibt und alles, was man sonst noch zum Arbeiten braucht. In speziellen Räumen können sich die digitalen Nomaden treffen, um sich auszutauschen.
Der persönliche Kontakt ist wichtig – auch für Claudia Kube. Wenn sie in Deutschland ist, fährt sie einmal pro Woche ins Büro, um ihre Kolleginnen und Kollegen persönlich zu sehen. Auf Kreta ist sie höchstens 183 Tage im Jahr. Bliebe sie länger, würde ihr Einkommen auch in Griechenland versteuert werden müssen. Die im Gastland geltenden Gesetze sind für digitale Nomaden sehr relevant – das gilt auch für die Sozialversicherung. Die Personalabteilung ihrer Firma kümmert sich deswegen darum, dass sie immer ein aktuelles „A1-Zertifikat“ erhält. Dieses Dokument gewährleistet, dass Arbeitnehmer im EU-Ausland zu Hause sozialversicherungspflichtig bleiben und keine Beiträge im Gastland zahlen müssen.
A1-Zertifikat
Diese Bescheinigung dokumentiert, dass man in Deutschland weiter sozialversichert bleibt, obwohl man vorübergehend im Ausland arbeitet.
Mehr Informationen zum Thema:
t1p.de/DRV-A1-Zertifikat
Mobile Trumpfkarte
In Zeiten des Personalmangels haben Unternehmen gelernt, dass sie ihren Beschäftigten mobiles Arbeiten ermöglichen sollten. Denn so finden sie qualifizierte und motivierte Fachkräfte. Ein Beispiel ist das Hamburger Digital-Start- up awork. Die insgesamt 50 Mitarbeiter dürfen von überall in der Welt arbeiten, wo es gutes Internet gibt. „Dadurch können wir global rekrutieren“, sagt Firmenchef Tobias Hagenau. Wer sich entschließt, von Brasilien, Singapur oder Indonesien aus zu arbeiten, erhält einen „Employer of Record“: eine lokale Agentur, die auf dem Papier die Aufgabe hat, Arbeitgeber zu sein – vergleichbar mit einer Leiharbeitsfirma. Sie stellt gegen Gebühr einen Arbeitsvertrag aus, der den Gesetzen des Ziellandes entspricht. Verstöße gegen das Steuerrecht oder Sozialversicherungsbestimmungen muss auf diese Weise niemand befürchten.
Einer, der die Freiheiten nutzt, ist Sebastian Rösch. Der 38-jährige Softwareingenieur ist Technischer Direktor der Hamburger Firma und lebt in London. „Zuvor habe ich zwei Jahre lang an ganz verschiedenen Orten gearbeitet.“ Mit einem Camper tingelte er durch Südafrika und suchte sich Stellplätze mit Internet. „Das kann auch anstrengend sein“, räumt er ein. Schließlich führt er ein 15-köpfiges Entwicklungsteam, das ebenfalls in der Welt verstreut ist. „Vor allem die Zeitverschiebung kann zum Problem werden.“ In Australien stand er um ein Uhr morgens auf, um an einem Meeting teilzunehmen. Die durch das mobile Arbeiten entstehende Entgrenzung von Job und Privatleben habe sich an dieser Stelle deutlich gezeigt. „Das muss man wirklich wollen.“
Das Start-up unterstützt das Nomadentum seiner Beschäftigten, fördert aber zugleich den Teamgeist. Einmal im Jahr kommen alle Auswärtigen für eine Woche nach Hamburg. Wer dort wohnt, muss an zwei Tagen der Woche ins Büro kommen. „Donnerstag ist Präsenzpflicht für alle“, sagt Firmenchef Hagenau. Dass persönlicher Kontakt wichtig ist, bestätigt Sascha Friesike, Professor für Design digitaler Innovationen an der Universität der Künste in Berlin. Das treffe vor allem auf kreative Arbeiten zu. „Besonders in großen Gruppen finden sehr viele Sprecherwechsel statt.“ Video-Meetings mit mehr als zehn Teilnehmenden seien daher sehr anstrengend. Die Folge: „Gute Ideen lassen sich nicht so einfach in den Raum werfen wie beim persönlichen Gespräch“, erläutert Friesike den Stand der Forschung.
Das Arbeiten von zu Hause hat einen weiteren Nachteil, denn viele Ideen entstehen zufällig – und nicht, weil man sie gesucht hat. „Dass dies im Homeoffice geschieht, ist viel unwahrscheinlicher als im Kontext einer Organisation“, sagt Friesike. Kaffeeküche, Kantine und Flurfunk seien in manchen Unternehmen regelrechte Ideenschmieden.
Zu Hause hingegen kämpft ein Teil der Beschäftigten mit Einsamkeit, was sich auch auf die Leistungsfähigkeit ungünstig auswirken kann. Rund 36 Prozent geben in der Konstanzer Homeoffice-Studie an, sich zu Hause einsamer zu fühlen als sonst bei der Arbeit.
„Gute Ideen lassen sich nicht so einfach in den virtuellen Raum werfen wie im persönlichen Gespräch.“
Sascha Friesike,
Professor für Design digitaler Innovationen, Universität der Künste Berlin
Das digitale Team
Zwar haben Konzerne wie SAP, Deutsche Telekom oder die Deutsche Bank die Präsenzpflicht wieder verstärkt. Nach den Ergebnissen der Konstanzer Homeoffice-Studie handelt es sich dabei aber um Ausnahmen. „Für die breite Masse der Unternehmen in Deutschland lässt sich dieser Trend nicht bestätigen.“ Lediglich 19 Prozent der Befragten berichten, dass in ihrem Unternehmen wieder eine Präsenzpflicht eingeführt wurde. Die Anwesenheit an allen fünf Arbeitstagen der Woche fordern sogar nur acht Prozent der Firmen.
Dass auch ein virtuelles Team sehr gut funktioniert, unterstreicht Burkhard Margies. Er leitet das Sprachzentrum der Deutschen Rentenversicherung, wo er mit seinen drei Kolleginnen daran arbeitet, dass Bescheide gut verständlich und freundlich formuliert werden. Sein Team bietet für die Verwaltung der Deutschen Rentenversicherung Workshops mit Hilfe zur Selbsthilfe an. Meistens sieht sich das Team über Video, aber auch persönliche Treffen stehen regelmäßig an. Drei der Teammitglieder kennen sich schon lange und waren Zusammenarbeit aus der Ferne bereits gewohnt. Als das Sprachzentrum vor einigen Jahren in Berlin gegründet wurde, wollten die neu eingestellten Mitarbeitenden an ihren Wohnorten bleiben. Margies selbst wohnt in Heidelberg, zwei seiner Kolleginnen in Coburg und Karlsruhe. Nur eine Kollegin wohnt in Berlin und ist darum auch häufig dort in einem Büro der Deutschen Rentenversicherung anzutreffen. „Wir achten darauf, dass wir uns nicht fremd werden“, sagt Margies. Wöchentlich gibt es einen Jour fixe, bei dem sich das Team per Video austauscht. Wie weit sind die Aufträge abgearbeitet? Wo treten Probleme auf? Welche Lösungen sind vorstellbar? Regelmäßig trifft sich das Team auch persönlich. Das ist für alle wichtig. „Es stärkt die sozialen Bindungen und das Wir-Gefühl. Und man bekommt auch die Stimmung der einzelnen Personen noch besser mit“, erklärt Margies. Außerdem sehen sich die Mitglieder des Teams persönlich bei Präsenzseminaren, die sie für die Beschäftigten der Deutschen Rentenversicherung organisieren.
„Für mich gehört es zum Arbeitsalltag, mich mit Kollegen sowohl per Video als auch in persönlichen Treffen auszutauschen“, sagt Anja Kühne, die als Einzige vom Sitz der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin aus arbeitet. Der Job im digitalen Team sagt ihr zu, zumal die Textarbeit häufig mit konzentrierter Einzelarbeit verbunden ist.
Arbeiten im Ausland
Herr Bourauel, wie wirkt sich das Arbeiten im Ausland auf die Rente aus? Wer im Ausland arbeitet, ist grundsätzlich auch dort rentenversichert. Ob im Rentenfall die Zeiten im Ausland und in Deutschland zusammengerechnet werden können und daraus Ansprüche entstehen, hängt von den sozialversicherungsrechtlichen Verbindungen zum jeweiligen Land ab. Es gibt das Europarecht und daneben bilaterale Sozialversicherungsabkommen. Diese Regelungen sehen immer eine Zusammenrechnung vor, damit die Mindestversicherungszeiten in beiden Ländern erfüllt werden können. Jeder Staat zahlt aber nur eine Teilrente aus seinen Zeiten.
Betrifft diese Regelung auch einen Arbeitnehmer, der beispielsweise für ein deutsches Unternehmen in London arbeitet und auch dort lebt? Auch hier gilt, dass man dort in die Sozialversicherung einzahlt, wo man seiner Beschäftigung nachgeht. Es sei denn, man ist von seinem Arbeitgeber entsandt und die Beschäftigung im Ausland ist vorübergehend. Dieser Status wird mit einer sogenannten A1-Bescheinigung nach Europarecht dokumentiert und bedeutet, dass man weiter der deutschen Sozialversicherung, also auch der gesetzlichen Rentenversicherung angehört. Schließlich ist die Tätigkeit im Ausland nur temporär.
Hat ein entsandter Arbeitnehmer im Ausland Anspruch auf Reha-Leistungen in Deutschland? Ja, denn ein Entsandter zahlt ja ganz normal weiter Beiträge in die Deutsche Rentenversicherung ein. Aus den Beiträgen resultieren Ansprüche.
Gilt das auch für die Erwerbsminderungsrente und die Hinterbliebenenrente? Da vom Arbeitgeber in Deutschland weiter alle Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, sind Entsandte bei der Altersvorsorge, Erwerbsminderung und Tod genauso abgesichert, als würden sie in Deutschland leben und arbeiten.
Für 52 Staaten existieren Regelungen, wodurch zwischenstaatliche Ansprüche koordiniert werden. Was ist mit den übrigen Ländern? Im vertragslosen Ausland können Zeiten für die Rente nicht zusammengerechnet werden. Bei aus Deutschland entsandten Arbeitnehmern kann es auch sein, dass ein deutscher Arbeitgeber sowohl in das deutsche als auch in das ausländische Rentensystem einzahlen muss.
befasst sich in der Abteilung Grundsatz der Deutschen Rentenversicherung Bund mit Internationalem Sozialrecht.