Beratung für ein mobiles Leben
Detlef Kaphengst ist Experte in internationalen Rentenfragen. Seine Kundinnen und Kunden haben Grenzen überschritten und lassen sich jetzt von ihm rund um Rente und Vorsorge beraten.
Der Artikel ist lesenswert, weil er anschaulich zeigt, wie individuelle Rentenansprüche bei internationaler Erwerbstätigkeit geklärt werden.
Herr Kaphengst, immer mehr Menschen arbeiten grenzüberschreitend. Wie oft begegnen Ihnen solche Fälle in der Beratung?
Detlef Kaphengst: Regelmäßig. Internationale Lebensläufe sind längst kein Sonderfall mehr. Und manchmal steckt dahinter eine richtige Lebensaufgabe – auch für uns. Meine erste internationale Beratung war direkt extrem umfangreich: Ein europaweit gefragter Dirigent kam mit zwei Wäschekörben voller Unterlagen. Er hatte in mehreren Ländern gearbeitet – von Frankreich bis Finnland. Wir trafen uns ein Jahr lang jede Woche, sortierten Dokumente, klärten Versicherungszeiten, prüften Rentenansprüche. Am Ende konnten wir den Antrag stellen. Der Versicherte war zufrieden und ich froh, diese erste Mammutaufgabe gemeistert zu haben.
Was reizt Sie besonders an dieser Arbeit?
Kein Fall gleicht dem anderen. Das macht die Beratung spannend. Gemeinsam mit einem Kollegen aus Münster habe ich mich auf Auslandsfragen spezialisiert. Wir organisieren pro Jahr rund 20 Sprechtage mit Fokus auf grenzüberschreitende Themen. Außerdem sind wir regelmäßig bei internationalen Beratungstagen, etwa in Rotterdam, Freiburg oder München. Dort beraten wir gemeinsam mit dem Bureau voor Duitse Zaken, zu Deutsch: Büro für deutsche Angelegenheiten, der Sozialen Versicherungsbank. Der Austausch ist enorm wertvoll. Wir lernen viel voneinander.
Gibt es etwas, das in den Niederlanden besser funktioniert als in Deutschland?
In den Niederlanden läuft vieles digitaler. Versicherte stellen ihren Rentenantrag online, oft mit wenigen Klicks. Für die niederländischen Bürgerinnen und Bürger ist es ganz selbstverständlich, behördliche Angelegenheiten online zu erledigen und den aktuellen Bearbeitungsstand jederzeit digital einsehen zu können. Prozesse sind dort einfach stärker automatisiert – für die Nutzer ist das komfortabel, auch wenn da der persönliche Kontakt vielleicht manchmal fehlt.
20
Sprechtage pro Jahr, speziell für internationale Themen, bietet Detlef Kaphengst ge– meinsam mit einem Kollegen an.
Unterscheidet sich die internationale Beratung stark von der klassischen Rentenberatung?
Ja, sehr. Jedes Land hat eigene Regeln. In den Niederlanden hängt das Renteneintrittsalter etwa von der Lebenserwartung ab und es gibt eine Grundrente. Viele sind überrascht, wenn sie das hören. Wenn ich in den Niederlanden anfange zu arbeiten, dann wird das nicht automatisch der Rentenversicherung gemeldet. Da muss ich selbst aktiv werden.
Sind die Versicherten darauf vorbereitet?
Manche ja. Gerade jüngere Menschen, die früh im Ausland gearbeitet haben, kommen mit konkreten Fragen. Viele Ratsuchende stehen allerdings kurz vor der Rente. Dann wird es aufwendiger – vor allem, wenn kein Sozialversicherungsabkommen mit den betreffenden Ländern besteht. Die Klärung aller rentenrechtlichen Zeiten kann dann länger dauern. Grundsätzlich gilt: Wer im Ausland arbeitet, sollte frühzeitig vorsorgen. Nichts läuft von selbst.
Gab es in über 30 Jahren Ihrer Tätigkeit einen Fall, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Ja, eine junge Mutter, deren Mann auf einem Montageeinsatz im Ausland tödlich verunglückte. Sie stand völlig unvorbereitet ganz alleine dar. Ihr verstorbener Ehemann hatte viele Jobs außerhalb von Deutschland und diese Zeiten waren nicht im Versicherungskonto vermerkt. Wir haben versucht, alle Unterlagen zusammenzusuchen, aber ganz ohne Lücken war der Versicherungsverlauf nicht zu klären. Das war eine sehr emotionale Beratung, auch für mich.
Wie beraten Sie am häufigsten – persönlich, telefonisch oder digital?
Ich berate am meisten und liebsten persönlich, zum Beispiel bei den Sprechtagen. Ansonsten vor allem über Video. Es wird sogar von anderen Rentenversicherungsträgern auf unsere Videoberatung verwiesen – wir scheinen da gut aufgestellt zu sein. Und wir weisen auch keinen ab, selbst wenn wir nicht zuständig sind.
Wie eng arbeiten Sie mit anderen Stellen oder Institutionen zusammen?
Mit den anderen Rentenversicherungsträgern klappt die Abstimmung gut, auch wenn es nicht immer feste Ansprechpartner gibt, was viele Prozesse vereinfachen könnte. Wenn es um niederländische Angelegenheiten geht, haben wir den direkten Draht zu den Kollegen, mit denen wir auch auf den Beratungstagen zusammen sind. Bei den Sprechtagen in der Region hilft es sehr, dass viele Stellen vor Ort sind: neben uns und dem Bureau voor Duitse Zaken auch die Krankenkassen, Finanzämter, weitere Sozialleistungsträger und der Grenzinfopunkt. So bekommen die Ratsuchenden ihre Fragen oft an einem einzigen Tag beantwortet.
„Wer im Ausland arbeitet, sollte frühzeitig vorsorgen. Nichts läuft von selbst.“
Detlef Kaphengst, Deutsche Rentenversicherung Westfalen
Was würden Sie sich für Ihre Arbeit wünschen?
Wir sind auf dem richtigen Weg und haben die ersten Schritte gemacht, wie etwa mit der digitalen Rentenübersicht. Wir brauchen aber noch mehr Tempo bei der Digitalisierung. Aktuell gehen die Babyboomer-Jahrgänge in Rente, gleichzeitig werden wir dadurch auch auf Beraterseite weniger. Also viel Arbeit, zusätzliche Kolleginnen und Kollegen, die sich auf komplexe Themen und internationale Beratung spezialisieren, sind herzlich willkommen!
Was raten Sie Menschen, die im Ausland arbeiten oder dort ihren Ruhestand planen?
Vor dem Aufbruch: Versicherungskonto klären! Dann wissen die Versicherten, woran sie sind – und können beruhigt Grenzen überschreiten.
Verbindungsstelle
Die Deutsche Rentenversicherung Westfalen ist im Rahmen des zwischenstaatlichen Rechts die Verbindungsstelle zu den Niederlanden und zu Island.
Monatlich zahlt die Deutsche Rentenversicherung Westfalen …
… 62.000 Renten an Berechtigte, die Ansprüche in den Niederlanden oder Island erworben haben.
… rund 42.000 Renten in die Niederlande und nach Island.
… weitere 900 Renten in das übrige Ausland.