Bas, du beschäftigst dich seit vielen Jahren intensiv mit gesunder Ernährung. Kommt da irgendwann der Moment, wo man sagt: Jetzt habe ich alles dazu gelesen und verstanden?
Bas Kast: Das Problem ist, dass es zu viel Wissen gibt. Es existieren so viele Studien, die sich auch widersprechen, dass sich tendenziell jeder rauspicken kann, was zu seinem Weltbild passt. Wenn ich dir beweisen wollte, dass Brokkoli oder Hülsenfürchte ungesund sind, könnte ich auf biochemischer Ebene Argumente dafür finden. Ungekochte Hülsenfrüchte enthalten schädliche Lektine. Aber man weiß, dass gekochte Hülsenfrüchte extrem gesund sind. Das war die Idee zu meinem „Ernährungskompass“: Hier eine Übersicht zu geben.
Du hast über starke Stimmungsschwankungen bei dir berichtet. Kann es auch unglücklich machen, nur noch gesund essen zu wollen?
Wenn man zwangsneurotische Züge hat, schon. Sobald so jemand das Thema Ernährung für sich entdeckt, entwickelt er auch dort seine Obsession. Wenn man dann aber nachts wach liegt, weil man ein paar gesättigte Fettsäuren gegessen hat, kann das „Orthorexie“ werden, krankhaft gesunde Ernährung – was aber keine offizielle Diagnose ist [lacht].
Beschreibst du dich da gerade selbst?
Ich gebe zu, dass ich während der Arbeit an meinem „Ernährungskompass“ diese Obsession entwickelt habe. Aber wenn man ein Buch darüber schreibt, ist es vielleicht verzeihlich.
Isst du denn wirklich ausschließlich gesund?
Ach, nachmittags gönne ich mir schon mal ein Marmeladenbrot oder einen Schoko-Muffin.
Und wie hältst du es mit Fett?
Es gibt die falsche Vorstellung, dass jedes Fett böse ist und unsere Arterien verstopft. Das ist eingängig, aber falsch. Schädlich sind nur gesättigte Fettsäuren, die vor allem in tierischen Lebensmitteln vorkommen. Ungesättigte Fettsäuren aus Fisch, Nüssen, Avocados oder Oliven sind dagegen gesund.
Wie steht es mit Nahrungsergänzungsmitteln?
Da herrscht bei vielen die falsche Vorstellung vor: Mehr ist besser. Es gibt aber empirische Überraschungen. So hatte man einer Gruppe Raucher jahrelang hochdosiertes Beta-Carotin gegeben, in der Hoffnung, dass es antioxidierend wirkt. Es zeigte sich aber, dass das Krebsrisiko der Testgruppe sogar gestiegen war! Die Einnahme in Reinform, ganz ohne Karotte und in hochdosiert, ist offenbar schädlich.
Bas Kast
ist 51 und Autor populärwissenschaftlicher Bücher sowie eines Romans. Kast studierte Biologie und Psychologie. Er schreibt über Hirnforschung, Intuition, Glück, Kreativität und Ernährung („Der Ernährungskompass“, 2018). Sein aktuelles Buch heißt „Kompass für die Seele“ (2023).
Hier geht es zur Langversion des Interviews:
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